Science Fiction Almanach 1983
rechten Zeigefinger gegen sein Spiegelbild. Der erste Drink begann schon zu wirken. Der zweite würde nicht lange auf sich warten lassen.
„Dieser dumme Rechenknecht hat zwei Drinks mit siebenundvierzig Prozent Alkohol zu sich genommen. Bald wird das volltransistorierte, mikromodule Räderschnurrgewurrle durcheinandergeraten sein.“
Er schob sich den flachen Filzhut von hinten in die Stirn, bis er gerade noch darunter hervorsehen konnte. „Hab ich mich gestern schlecht benommen?“ fragte er.
„Aber nein, Mr. Hof man. Sie haben etwas geschwankt, als sie gingen. Aber ihr Abgang war der eines vollendeten Gentleman.“
Sam holte Gläser aus dem Spülautomaten und polierte sie liebevoll. Fasziniert beobachtete Hof man, wie sicher diese schwarzen Pranken ihre Arbeit ausführten.
„So, das freut mich, Sam.“ Er kam sich albern vor. Er nahm den Hut behutsam ab und setzte ihn auf den Hocker rechts von sich. Die Bar war fast leer. Der nächste Gast saß etwa zehn Hocker weiter. Hofman kannte ihn. Er war auch von der IBM. Er winkte mit dem kleinen Finger hinüber. Der andere winkte müde zurück.
„Der hat auch Kummer, Sam …“
„Oh ja. Aber ich weiß nicht, warum. Viele Manager von der IBM haben Kummer. Sie sind nicht der einzige. Aber wegen einer Frau ist es bei ihm nicht.“
„Ich kann mir schon denken, warum ein Manager von der IBM heute abend Kummer haben könnte.“
Sam nickte. „Vor einer Stunde waren schon einmal drei hier. Die hatten das gleiche Abzeichen wie Sie angesteckt. Du lieber Himmel, waren die vielleicht geladen, als sie weggingen. Man sollte ja in meinem Beruf nicht über Gäste plaudern – aber so was hab ich bei solch distinguierten Herren noch nie erlebt. Und die waren nicht etwa fröhlich betrunken. Die hatten eine ganz miese Laune.“
„Das ist der Fortschritt, Sam. Sie haben Angst um ihre Posten. Sie wollen nicht mehr umlernen. Sie fühlen sich sicher in ihrer gesellschaftlichen Nische. Ein alter Hund … Sie kennen das Sprichwort. Dich wird man auch einmal durch eine vollautomatische Schnapsorgel ersetzen.“
Sam schüttelte selbstsicher den Kopf.
„Das glaube ich nicht. Solange sich Menschen an die Theke einer Bar setzen, werde ich meinen Job nicht verlieren.“
„Vielleicht haben Sie recht. Das ist so wie mit den Frauen. Welche Frau würde sich schon mit einem Robotmann abgeben?“
„Allenfalls eine Robotfrau“, meinte Sam. Er wollte keinen Witz machen, er hatte nur die logische Schlußfolgerung gezogen.
„Unsinn“, knurrte Hofman. „Ich meine das ganz, ganz anders. Schau mal her, Sam, das ist so …“
„Moment, Mr. Hofman, einen kleinen Moment“, bat der Barkeeper. Ein neuer Gast signalisierte nach einem Drink.
„Whisky sour“, hörte Hofman. Aber es war ihm egal. Es war ihm auch egal, daß Sam nicht zuhörte. Sein eigener Drink wirkte wie eine Bombe mit Zeitzünder. Deshalb hieß er auch wohl so.
Aus den Augenwinkeln sah er, eigenartig verzerrt, daß zwei weitere Männer in die Bar traten. Warum sieht man keine Frauen in dieser Bar, wunderte er sich. Dann kramte er in seinen Taschen nach einem Gegenstand, den er auf den Barhocker links von ihm legen könnte. Er wollte allein bleiben. Er fand nur eine Streichholzschachtel. Die legte er liebevoll auf die lederne Sitzfläche. Die Schachtel war mit einem grellfarbigen Reklamebildchen beklebt. Neugierig beugte er sich darüber. Dabei wäre er beinahe vom Stuhl gekippt.
„Uhps“, brummte er und zog sich wieder in eine einigermaßen aufrechte Stellung.
„He, Sam, noch einen Z EITZÜNDER , bitte.“
Solange er noch ‚bitte’ sagen konnte, war alles gut, alles … Er kicherte. Dann beugte er sich in einem halsbrecherischen Manöver wieder über die Streichholzschachtel. Die
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