Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
weiterzumachen. Irgendwie schienen die bizarren Winkel der Drähte jetzt weniger verwirrend zu sein.
Es war ein sehr lehrreiches Spielzeug.
Es funktionierte ähnlich wie der Kristallwürfel, überlegte Scott. Als er sich daran erinnerte, holte er das Gerät aus der Tasche und überließ Emma den ,Abakus’, die vor Freude sprachlos war. Sie machte sich an die Arbeit und ließ die Kugeln gleiten, diesmal ohne Protest gegen die Schocks, die wirklich nur minimal waren. Da sie gut nachmachen konnte, schaffte sie es fast so schnell wie Scott, eine Kugel verschwinden zu lassen. Die blaue Perle tauchte wieder auf – aber Scott bemerkte es nicht. Er hatte sich vorsorglich hinter einem überladenen Stuhl in eine Sofaecke zurückgezogen und vergnügte sich nun mit dem Würfel.
Kleine Leute waren in dem Ding, winzige Männlein, die durch die Vergrößerungskraft des Kristalls wuchsen, und sie bewegten sich. Sie bauten ein Haus. Es fing Feuer mit ganz natürlichen Flammen, und sie standen abwartend daneben. Scott keuchte drängend: „Macht es aus!“
Aber nichts geschah. Wo war dieser merkwürdige Feuerwehrwagen mit den rotierenden Armen, der vorhin aufgetaucht war? Da war er. Er kam ins Bild gerauscht und bremste. Scott trieb ihn an.
Das war ein Spaß. Wie eine Theateraufführung, nur realistischer. Die kleinen Leute taten alles, was Scott ihnen – im Innern seines Kopfes – sagte. Wenn er einen Fehler machte, warteten sie, bis er den richtigen Weg fand. Sie stellten ihm sogar neue Probleme …
Auch der Würfel war ein äußerst lehrreiches Spielzeug. Er unterrichtete Scott mit beunruhigender Rasanz – und er unterrichtete ihn sehr unterhaltsam. Aber er vermittelte ihm dabei nicht wirklich neues Wissen. Er war noch nicht bereit dazu. Später … später …
Emma wurde des ,Abakus’ überdrüssig und machte sich auf die Suche nach Scott. Sie konnte ihn nicht finden, auch nicht in seinem Zimmer; aber als sie schon einmal da war, wurde ihre Neugierde vom Inhalt seines Schrankes geweckt. Sie entdeckte den Behälter. Er enthielt einen kostbaren Schatz – eine Puppe, die Scott schon bemerkt, aber dann verächtlich beiseite gelegt hatte. Sie quietschte vergnügt. Emma nahm die Puppe mit nach unten, hockte sich auf den Boden und begann sie auseinanderzunehmen.
„Liebling, was ist das?“
„Onkel Bär.“
Ganz offensichtlich war es nicht Onkel Bär; der war blind, ohne Ohren, doch gemütlich in seiner rundlichen Weichheit. Aber für Emma hießen alle Puppen Onkel Bär.
Jane Paradine zögerte: „Hast du sie einem anderen kleinen Mädchen weggenommen?“
„Hab’ ich nicht. Sie ist meine.“
Scott kam aus seinem Versteck hervor und steckte den Würfel in die Tasche. „Das ist von Onkel Harry.“
„Hat Onkel Harry dir das gegeben, Emma?“
„Er hat es mir für Emma gegeben“, warf Scott eilig ein und setzte damit einen weiteren Stein in seine Lügenkonstruktion. „Letzten Sonntag.“
„Du machst sie kaputt, Liebes.“
Emma brachte die Puppe zu ihrer Mutter. „Sie geht auseinander, siehst du?“
„Oh? Sie … huch!“ Jane zog die Luft ein. Paradine blickte schnell auf.
„Was ist los?“
Sie brachte ihm die Puppe, zögerte und ging dann ins Eßzimmer, wobei sie Paradine einen bedeutungsvollen Blick zuwarf. Er folgte ihr und schloß die Tür. Jane hatte die Puppe bereits auf den abgeräumten Tisch gelegt.
„Das ist nicht sehr schön, nicht wahr, Denny?“
„Hmm.“ Auf den ersten Blick war es sehr unerfreulich. Eine anatomische Puppe hätte man in einer MedizinHochschule erwartet, aber eine Kinderpuppe …
Das Ding zerfiel in Einzelteile, Haut, Muskeln, Organe; alle im Kleinformat, aber ziemlich perfekt, soweit Paradine sehen konnte. Sein Interesse erwachte. „Weiß nicht. Für ein Kind haben diese Dinge nicht die gleiche Bedeutung . …“
„Sieh dir die Leber an. Ist es eine Leber?“
„Sicher. Sag mal, ich … Ist das nicht seltsam?“
„Was?“
„Sie ist auf jeden Fall anatomisch nicht vollkommen.“ Paradine zog einen Stuhl heran. „Der Verdauungstrakt ist zu kurz. Kein Dickdarm. Und auch kein Blinddarm“
„Sollte Emma so etwas haben?“
„Ich hätte nichts dagegen, selbst so etwas zu haben“, sagte Paradine. „Wo, um alles in der Welt, hat Harry das aufgetrieben? Nein, ich glaube nicht, daß es irgendwie schädlich ist. Erwachsene sind so erzogen, daß sie auf Eingeweide angewidert reagieren. Kinder nicht. Sie stellen sich vor, daß sie innen fest wie eine Kartoffel sind. Emma kann durch diese Puppe
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