Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
ausgedacht, Scott?“
„Sicher“, sagte der Junge, und er glaubte es auch.
„Wie kamst du auf die Idee?“
„Oh, ich …“ Scott wand sich. „Ich weiß nicht. Sie bedeutet wohl nicht viel, glaube ich.“
Paradine war übertrieben enttäuscht. „Aber sicher …“
„S-s-s-spucke!“ kreischte Emma in einem plötzlichen Anfall von Unartigkeit. „Spucke!“ Sie versuchte, es vorzuführen, aber das endete damit, daß sie ins Lätzchen sabberte.
Mit einem Ausdruck von Resignation half Jane ihrer Tochter und tadelte sie zugleich, während Paradine mit ziemlich verblüfftem Interesse zusah. Aber erst nach dem Abendessen, im Wohnzimmer geschah wieder etwas.
„Irgendwelche Hausaufgaben?“
„N-Nein“, sagte Scott und errötete schuldbewußt. Um seine Verlegenheit zu verbergen, holte er ein Gerät, das er in dem Behälter gefunden hatte, aus der Tasche und begann es aufzuklappen. Das Ergebnis ähnelte einem Tesserakt, der mit Kugeln behangen war. Paradine sah ihn zuerst nicht, aber Emma bemerkte ihn. Sie wollte damit spielen.
„Nein. Leg das hin, Schnecke“, befahl Scott. „Paß auf, was ich damit mache.“ Er betastete die Kugeln und erzeugte weiche, Aufmerksamkeit erregende Töne. Emma streckte einen dicken Zeigefinger aus und jauchzte.
„Scotty“, sagte Paradine warnend.
„Ich habe ihr nicht weh getan.“
„Doch, hast du“, maulte Emma.
Paradine schaute auf. Er runzelte die Stirn. Was, zum Teufel … „Ist das ein Abakus?“ fragte er. „Zeig es mir, bitte.“
Widerstrebend brachte Scott das Gerät seinem Vater. Paradine blinzelte. Ausgeklappt maß der ,Abakus’ fast einen Quadratmeter. Er bestand aus dünnen festen Drähten, die an einigen Stellen miteinander verknüpft waren. Auf die Drähte waren die farbigen Perlen geknüpft. Man konnte sie hin und her bewegen, von einer Stütze zur anderen, selbst über die Verbindungspunkte. Aber … eine durchbohrte Kugel konnte nicht über die Knotenpunkte der Drähte gleiten …
Offenbar waren sie also nicht durchbohrt. Paradine schaute näher hin. Jede der kleinen Kugeln hatte ringsherum eine tiefe Rille; so konnten sie sich gleichzeitig um die Drähte drehen und auf ihnen auf- und abgleiten. Paradine versuchte eine abzuziehen. Sie blieb wie an einem Magneten haften. Eisen? Sie sah eher wie Kunststoff aus.
Der Rahmen selbst – Paradine war kein Mathematiker. Aber die Winkel, die die Drähte bildeten, waren fast erschreckend; geradezu lachhaft, wie sie der Euklidischen Logik entbehrten. Sie waren ein Irrgarten. Vielleicht war dieses Gerät … ein Geduldspiel.
„Wo hast du das her?“
„Onkel Harry gab es mir“, sagte Scott, ohne zu überlegen. „Letzten Sonntag, als er hier war.“ Onkel Harry war nicht in der Stadt, eine Tatsache, der Scott sich sehr wohl bewußt war. Im Alter von sieben Jahren lernt ein Junge schnell, daß die Launen der Erwachsenen bestimmten Mustern folgen und daß sie mit Geschenkgaben sehr heikel sind. Vor allem würde Onkel Harry erst in einigen Wochen zurückkehren. Das Ende dieses Zeitraums war für Scott unvorstellbar. Oder zumindest bedeutete ihm die Tatsache, daß seine Lüge schließlich aufgedeckt würde, weniger als die Vorteile, die er hätte, wenn er das Spielzeug behalten durfte.
Paradine stellte fest, daß er immer verwirrter wurde, als er versuchte, die Kugeln zu bewegen. Die Winkel waren irgendwie unlogisch. Es war wie ein Puzzle. Diese rote Kugel: wenn sie auf diesem Draht zu jener Kreuzung glitt, müßte sie dort landen – aber sie tat es nicht. Ein Labyrinth, merkwürdig, aber ohne Zweifel lehrreich. Paradine hatte das wohlbegründete Gefühl, daß er selbst für dieses Ding nicht genug Geduld aufbringen könnte.
Scott jedoch konnte es, als er sich in eine Ecke zurückzog und fummelnd und seufzend die Kugeln gleiten ließ. Die Kugeln teilten tatsächlich einen leichten Schock aus, wenn Scott die falschen wählte oder sie in die falsche Richtung bewegte. Schließlich jubelte er triumphierend:
„Ich hab’s geschafft, Vati!“
„Hee? Was? Zeig mal!“ Das Gerät sah für Paradine genau wie vorher aus, aber Scott zeigte mit dem Finger darauf und strahlte. „Ich hab’ sie verschwinden lassen.“
„Es ist doch noch da.“
„Die blaue Kugel. Sie ist jetzt weg.“
Paradine konnte das nicht glauben, also schnaufte er nur. Scott brachte den Rahmen wieder durcheinander. Er experimentierte. Jetzt gab es nicht den kleinsten Schock mehr. Der ,Abakus’ hatte ihm die richtige Methode gezeigt. Nun lag es an ihm, selbst
Weitere Kostenlose Bücher