Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
den Tunnel gingen, kam durchschnittlich eine in diesem Zustand wieder heraus. Man rief die Psychologen zu Hilfe, und wir taten erst einmal das Naheliegendste: Wir veranlaßten die Schließung des Tunnels.“ Er breitete die Arme aus.
„Aber was war denn nun eigentlich los mit diesen Leuten?“
„Eigentlich das gleiche wie mit Ihnen vorhin, als Sie das Gefühl hatten, die Wände kämen in der Dunkelheit auf Sie zu. Der psychologische Terminus für diese Angst des Menschen vor dem Eingeschlossenwerden heißt ‚Klaustrophobie’. Die Furcht vor der Dunkelheit steht im engem Zusammenhang zu dieser Angst vor dem Erdrücktwerden. Deshalb ist die Angst vor dem einen Phänomen exakt die gleiche wie vor dem anderen. Verstehen Sie?“
„Und die Leute, die aus dem Tunnel kamen, hatten das also?“
„Diese Leute gehörten zu den Unglücklichen, die nicht über genügende geistige Abwehrkräfte verfügen, diese Klaustrophobie abzuwenden. Als sie in dem Tunnel waren, wurden sie quasi von ihr übermannt. Fünfzehn Minuten ohne Licht; das ist eine lange Zeit. Sie brauchten vorhin die Dunkelheit höchstens zwei oder drei Minuten zu ertragen; und trotzdem machten Sie schon einen hochgradig erregten Eindruck auf mich.
Die Leute aus dem Tunnel hatten eine sogenannte ,klaustrophobische Fixierung’. Ihre schon latent vorhandene Furcht vor Dunkelheit und geschlossenen Räumen hatte sich gewissermaßen kristallisiert und war aktiv geworden. Soweit wir das bis jetzt beurteilen können, ist sie bei ihnen damit zu einem Dauerzustand geworden. Da sehen Sie einmal, was eine Viertelstunde Dunkelheit alles anrichten kann!“
Langes Schweigen trat ein. Nach einer Weile runzelte Theremon die Stirn. „Ich glaube einfach nicht, daß es so schlimm ist.“
„Sie wollen es bloß nicht wahrhaben, daß es so ist“, sagte Sheerin bissig. „Sie haben Angst davor, es glauben zu müssen.
Schauen Sie aus dem Fenster!“
Theremon tat wie gewünscht, und der Psychologe redete, ohne eine Pause zu machen, weiter: „Stellen Sie sich vor, alles wäre völlig dunkel – weit und breit kein Licht. Alles, was Sie jetzt noch sehen können – Häuser, Bäume, Felder, die Erde, der Himmel –, alles schwarz, pechschwarz! Und jetzt fallen Sterne über Sie her – wie auch immer die aussehen mögen. Können Sie sich das vorstellen?“
„Jawohl, das kann ich!“ erwiderte Theremon trotzig.
In plötzlich aufkommendem Zorn ließ Sheerin die Faust auf den Tisch krachen. „Sie lügen! Keiner kann das! Auch Sie nicht! Ihr Gehirn ist für eine solche Vorstellung genausowenig konstruiert wir für die Vorstellung der Unbegrenztheit oder der Ewigkeit! Sie können nur darüber sprechen. Schon ein Zipfel der Realität, die von den gewohnten Erfahrungen abweicht, versetzt Sie in Aufregung. Und wenn dann diese Realität voll über Sie hereinbricht, ist Ihre Vorstellungskraft plötzlich mit einem Phänomen konfrontiert, das jenseits ihres Erfassungsvermögens liegt. Sie werden wahnsinnig werden – völlig und unheilbar! Und daran besteht nicht der geringste Zweifel!“
Und mit trauriger Stimme fügte er noch hinzu: „Und erneut werden sich zwei Jahrtausende mühevoller Arbeit in Nichts auflösen.
Morgen wird es in ganz Lagash nicht mehr eine einzige Stadt geben, die nicht dem Erdboden gleichgemacht worden ist.“
Theremons seelisches Gleichgewicht hatte sich inzwischen wieder halbwegs stabilisiert. „Das muß doch nicht unbedingt die Folge sein. Ich sehe noch immer nicht ein, weshalb ich überschnappen soll, nur weil keine Sonne am Himmel steht. Aber selbst wenn ich verrückt würde und alle anderen mit mir, was für einen Schaden würde das dann unseren Städten zufügen? Wir würden sie doch nicht in die Luft jagen!“
Gereizt antwortete Sheerin: „Wenn Sie im Dunkeln ständen, wonach würden Sie sich am meisten sehnen? Was würden Sie sich mehr als alles auf der Welt herbeiwünschen? Licht, verdammt noch mal, Licht!“
„Na und?“
„Und wie würden Sie Licht bekommen?“
„Keine Ahnung“, sagte Theremon hilflos.
„Welches ist denn die einzige Möglichkeit, sich Licht zu verschaffen, wenn die Sonnen nicht scheinen?“
„Woher soll ich das denn wissen?“
Sie standen ganz nah beieinander, Ihre Gesichter berührten sich fast.
„Sie stecken was in Brand, mein Bester. Schon mal einen Waldbrand gesehen? Schon mal beim Picknick was über einem offenen Feuer gebraten? Brennendes Holz spendet nämlich nicht nur Wärme, müssen Sie wissen. Es gibt auch Licht von sich.
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