Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
einen leisen
Fluch aus. Er zeigte auf das Schloß der Hintertür; jemand
hatte es mit einem Brecheisen fast völlig demoliert. „Das kann nur Latimer gewesen sein“, sagte Sheerin. „Nun stehen Sie nicht hier herum!“ drängte Theremon
ungeduldig. „Helfen Sie mit lieber, die Tür mit Möbeln zu
verbarrikadieren – und gehen Sie mit der verdammten Fackel
von meinen Augen weg! Der Rauch bringt mich noch um.“ Noch während er sprach, wuchtete er einen schweren
Tisch aufrecht vor die Tür, und innerhalb von zwei Minuten hatte er eine Barrikade errichtet, die zwar weder schön
noch symmetrisch war, diesen Mangel jedoch durch ihre
schier unbeweglich scheinende Masse mehr als wettmachte.
Undeutlich drang, wie von irgendwo aus weiter Ferne
kommend, das Geräusch nackter Fäuste, die gegen die Tür
hämmerten, an ihr Ohr. Das Schreien und Rufen klang fast
unwirklich.
Der Mob war von Saro City losgestürmt, besessen von
zwei Empfindungen: Die erste war die verzweifelte Hoffnung, durch die Zerstörung des Observatoriums das Seelenheil erringen zu können, wie es die Kultisten ihnen in
Aussicht gestellt hatten. Die zweite Empfindung war
Furcht, entsetzliche, lähmende Furcht. Diese Furcht hatte
ihre Gedanken so verwirrt, daß sie gar nicht daran gedacht
hatten, Fahrzeuge oder Waffen mitzunehmen. Führungslos
und ohne jegliche Organisation hatte sich der Haufen zu
Fuß auf den Weg gemacht und versuchte nun, das Observatorium mit bloßen Fäusten anzugreifen.
Und während die Menschen in wahnsinniger Angst gegen die Türen hämmerten, blitzte der letzte matte Strahl
von Beta noch einmal auf und tauchte die gespenstische
Szenerie in rubinrotes Dämmerlicht. Die im Todeskampf
liegende Beta beschien flackernd und mit letzter Kraft eine
Menschheit, die nur noch aus allumfassender Angst bestand!
„Gehen wir wieder in die Kuppel“, stöhnte Theremon. In der Kuppel war nur Yimot auf seinem Posten hinter
dem Solarskop geblieben. Die anderen drängten sich um
die Kameras herum, während Beenay mit heiserer, gepreß
ter Stimme seine Instruktionen gab. „Paßt jetzt alle genau
auf! Ich knipse Beta unmittelbar, bevor sie völlig verdunkelt ist, und wechsle die Platten. Jeder von euch geht an
seine Kamera. Ihr wißt alle Bescheid … über … die genauen Belichtungszeiten.“
Atemloses Gemurmel der Zustimmung.
Beenay rieb sich mit der Hand über die Augen. „Brennen die Fackeln noch? Alles in Ordnung, ich sehe sie.“ Er
lehnte sich schwer gegen die Rückenlehne seines Stuhles.
„Und denkt daran: Versucht nicht … um … um jeden Preis
gute Schnappschüsse zu machen. V-vergeudet keine Zeit
damit, z-zwei Sterne auf einmal ins Visier z-zu kriegen.
Einer reicht. Und … wenn ihr f-fühlt, daß euch die Sinne
sch-schwinden, sofort weg von den Kameras!“
An der Tür flüsterte Sheerin: „Theremon, bringen Sie
mich zu Aton! Ich sehe ihn nicht!“
Der Reporter antwortete nicht sofort. Die Umrisse der
Männer waren zu vagen, verschwommenen Schatten zerronnen, die gespenstisch vor seinen Augen tanzten. Die
Fackeln oben an der Wand waren nur noch winzige gelbe
Punkte. „Es ist so dunkel!“ wimmerte er.
Sheerin streckte die Arme aus. „Aton!“ Er taumelte vorwärts. „Aton!“
Theremon folgte ihm und faßte ihn beim Arm. „Warten
Sie, ich führe Sie.“ Irgendwie gelang es ihm, sich durch
den Raum vorzutasten. Er schloß die Augen, um die Dunkelheit abzuwehren, und bemühte sich, das langsam in ihm
aufkeimende Chaos zu ersticken.
Niemand hörte die beiden Männer oder schenkte ihnen
Beachtung. Sheerin stolperte gegen die Wand. „Aton!“ Der Psychologe spürte, wie eine zitternde Hand ihn befühlte und sich wieder zurückzog. Jemand murmelte: „Sind
Sie es, Sheerin?“
„Aton!“ Sheerin bemühte sich, ruhig zu atmen. „Machen
Sie sich keine Sorgen wegen des Mobs. Das Haus wird
dem Ansturm standhalten.“
Latimer, der Kultist, erhob sich von seinem Platz. Sein
Gesicht war zu einer Grimasse der Verzweiflung verzerrt.
Er hatte sein Ehrenwort gegeben, und wenn er es brach, so
bedeutete das, daß seine Seele in tödliche Gefahr geriet.
Aber hatte man ihm sein Ehrenwort nicht unter Zwang abgepreßt? Nein, freiwillig hatte er es ihnen nicht gegeben.
Bald würden die Sterne kommen. Nein, er durfte nicht tatenlos dastehen und zusehen … Aber er hatte doch sein
Wort gegeben.
Beenays Gesicht schimmerte dunkelrot auf, als er den
Kopf hob und die letzten vergehenden Strahlen von Beta
schaute. Latimer sah, wie er sich wieder über seine
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