Science Fiction aus Deutschland
daran gedacht. Nein, es muß an den Feldparametern liegen. Prüfe sie nach!«
»Gut«, sagte Mandelbrod, »ich werde es morgen nachrechnen.« Er wollte das Manuskript in seine Tasche schieben, doch da fiel ihm ein, daß sich Korpa vielleicht für den Inhalt interessieren konnte, und er unterließ es.
»Nicht morgen – jetzt«, befahl Korpa. »Morgen soll das Experiment anlaufen. Wir erwarten Besucher der Akademie. Du weißt, was das bedeutet.«
»Gewiß«, stammelte Mandelbrod. Es überlief ihn kalt vor Entsetzen. »Aber ich brauche Unterlagen, die letzten Versuchsprotokolle …«
»Was soll das?« fragte Korpa. »Wir rufen sie über das Display ab.« Mit dem Kinn deutete er auf den Monitor, auf dem eine Fisheye-Aufnahme des Sperrgebiets zu sehen war – eine Umsetzung Ultrarot/sichtbares Licht. »Ich taste die Kontrollnummer ein.« Er drückte auf die plastiküberzogenen Knöpfe, das Bild verschwand, dafür tauchte eine Schriftzeile auf:
BEREIT ZUR ABFRAGE/KNR 7073
»Und das Kontrollbild?« fragte Mandelbrod.
Korpa blickte den kleinen Mann von der Seite an. »Was ist los mit dir? Denkst du nicht an deine Frau und deine Kinder? Sie haben eine Menge Vergünstigungen bekommen, die ihnen gar nicht zustehen. Willst du das alles aufs Spiel setzen?«
»Nein, nein, natürlich nicht«, sagte Mandelbrod rasch. Sein Herz klopfte, er zermarterte das Gehirn nach einem Ausweg. Äußerlich blieb er ruhig.
Korpa lehnte sich zurück und zog eine Pfeife aus einem Lederetui. Er stopfte sie und zündete sie umständlich an. Er stieß den Rauch mit kurzen paffenden Lauten aus. Das Pförtnerhaus füllte sich mit süßlich-aromatischem Duft. »Ich warte«, sagte er undeutlich, die Pfeife im Mund.
Verstohlen blickte Mandelbrod auf die Uhr. Fünf Stunden bis drei Uhr früh. Konnte er es schaffen? Oder sollte er sich gar nicht erst bemühen und Hausnummern aufs Papier kritzeln? Und wenn es Korpa merkte? Ein wenig mehr verstand er jetzt schon von der Theorie als seinerzeit, vor sieben Jahren, als er Mandelbrod abgelöst hatte – ein kleiner Laborant, und plötzlich Leiter einer Forschungsabteilung. Auch für ihn war es nicht leicht gewesen …
Mandelbrods Gedanken drohten abzuschweifen, er versuchte sich zu konzentrieren. Noch einmal nahm er sich die Papiere vor, diesmal ruhiger und aufmerksamer.
Er holte einen Kugelschreiber aus der Tasche und begann zu rechnen.
»Wenn es mit Spanien nicht klappt, gehe ich nach Italien oder nach Holland. Ich habe jahrelang geschuftet, jetzt will ich endlich an das große Geld.«
»Ein solches Talent darf nicht versauern, wir haben schließlich genug investiert. Wir borgen ihn nur für zwei jahre aus, wer weiß wie teuer er dann ist.«
»Viele Leute glauben, daß es ohne ihn nicht geht. Soll er doch wandern, wenn er in zwei Jahren eine Million verdient. Wir bleiben auch ohne ihn an der Spitze.«
»6000 Mark erhält jeder von ihnen, wenn sie das Ziel erreichen. Für die andere Seite wäre der Erfolg nicht so lukrativ – der Vorstand hat bei jedem aktiven Beteiligten nur 4000 Mark in Aussicht gestellt.«
Zahlen, Daten, Symbole …
Veränderliche, Parameter, Konstante …
Differentialgleichungen zweiter Ordnung, Fouriertransformationen, Besselsche Funktionen …
elektrische und magnetische Felder, Kernkräfte, Energieverteilungen, Gradienten, Vektoren, Tensoren, Invarianten …
Mandelbrod rechnete. Äußerlich saß er unbewegt, vornü bergebeugt, nur seine Augenlider zuckten. Schweiß erschien auf seiner Stirn, rote Flecken auf den Wangen das Gesetz von Aktion und Reaktion, das Gleichgewicht der Kräfte, vektorielle Addition, Matrizenrechnung, Kroneckersche Symbole, Näherungsrechnung, Intrapolationen, Gaußsche Glockenkurve, exponentielle Abhängigkeit, Fehlergrenzen, numerische Integration, Logarithmen …
Mit der Spitze des Kugelschreibers tastete er Zahlenwerte ein, er überflog die Listen auf dem Bildschirm, suchte aus Hunderten Zahlen jene heraus, die er brauchte …
Summationen, Iterationen, differentielle Größen, Zahlen, Schwingungen, Amplituden, Phasenverschiebungen …
Mandelbrod hatte sein ganzes Leben lang gerechnet, und nun rechnete er mit der Zeit um die Wette. Er hatte es in der Kunst der Konzentration zur Meisterschaft gebracht, und nun versuchte er verzweifelt, diese Kunst anzuwenden und die drängenden Gedanken auszuschalten.
Seine Frau, seine Kinder – irgendwo draußen, drei Kleider übereinander, Großmutters Schmuck an Hals und Armgelenken,
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