Science Fiction aus Deutschland
Lippen. Merten sagte: »Schieben Sie ihn hinein, Schwester.«
Als ich hörte, daß sich Schritte näherten, öffnete ich die Augen. Die Schwester stand lächelnd über mir. In der Dämmerung blitzten ihre Zähne.
»Gut aufgewacht, Mr. Holly?«
Ich ließ den Kopf auf die Brust sinken. Ich war müde und leer.
Die Schwester schob meinen Stuhl aus dem Projektionsraum und schloß die Tür. Sie öffnete die Gurte und reichte mir ein Glas.
»Holly, Sie sind unser bester Mann«, sagte Merten gezwungen fröhlich. Ich sah auf. »Sie dürfen ganz einfach nicht schlappmachen. Sie produzieren reinsten Horror!« Er lächelte. Ich fühlte mich zu ausgebrannt, um zu sprechen.
Der Geruch um mich, der Klang der eiligen Schritte auf den Gängen, die Fenster mit den blinden Scheiben – alles verband sich zu einer unwirklichen Atmosphäre, die ich nicht mehr ertragen zu können glaubte. Ich hatte den Wunsch zu schreien, bis die eiligen Schritte in der Ferne verklangen und die blinden Fensterscheiben sprangen.
Ist dies der Wahnsinn? fragte ich mich.
Ein Wasserhahn tropfte und ich sagte: »Schwester, der Wasserhahn tropft.«
Das Weiß des Raumes preßte sich in mein Gehirn. Meine Gedanken tauchten aus dem Nichts auf, um wieder dorthin zu verschwinden, ungeformt, keine Spur hinterlassend.
Ich versuchte, meine Augen zu öffnen und zu schließen, auf und zu, auf und zu, immer schneller.
Ich fiel nach vorn, und die Schwester fing mich auf. »Mr. Holly«, sagte sie, und ihre samtene Stimme hüllte mich mitleidig ein.
Ich sah mich plötzlich hier sitzen, ein willenloses, halb verrücktes Bündel Mensch, das drohte vom Stuhl zu fallen und mit beiden Armen die blütenweiße Taille der Schwester umfangen hielt.
Mein Anblick ernüchterte mich.
Ich lehnte mich wieder zurück und flüsterte: »Merten …«
Er trat an meine Seite, ich ließ die Arme wieder sinken und sah in sein kühles Gesicht. »Merten, ich kann nicht mehr; hören wir damit auf …«
Die Schwester verschwand.
Merten setzte sich und schloß die Augen. »Seien Sie vernünftig, Holly; bin nicht ich es, ist es ein anderer …«
Ich erkannte plötzlich, wie müde er war. Er war letzten Endes nur ein alter Mann, mit grauem Gesicht und grauem, kahlgeschorenem Schädel. Seine Augen hatten die Farbe einer blanken Eisfläche in der Dämmerung. Die Farbe war es, die sie so kalt erscheinen ließ. Doch für die Farbe seiner Augen konnte er nichts.
Ich richtete mich auf. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Merten. Sie können vermutlich auch nichts dagegen tun. Es ist ein Teufelskreis. Hören Sie auf, dann tritt jemand anderer an Ihre Stelle. Höre ich auf, dann müssen Sie mich mit Gewalt holen.
Verstehen Sie mich: Ich wurde von der Front zurückgeholt, als man erkannte, welch eine entsetzliche Waffe man durch diese neue Entdeckung in die Hand bekommen hatte. Das war vor drei Jahren. Ich wußte damals, daß es nur wenige Menschen gab, die in ihren Träumen gelenkt werden konnten. Ich wehrte mich nicht, ich dachte an die Nation. Und ganz gewiß gab es mir anfangs ein ungeheures Selbstbewußtsein, daß ich Tausende Menschen, die in diesem Augenblick auf meiner ›Wellenlänge‹ träumten, in lallende Idioten verwandeln konnte.
Merten, dieses Gefühl ist vergangen. Geblieben sind ein unendliches Grauen und das Warten auf ein Ende.
Damals sagte man mir, man hätte genügend ›Freiwillige‹ zur Verfügung, um jeden von ihnen nicht länger als eine Woche im Jahr dieser Tortur zu unterziehen. Ich erinnere mich daran, wie wir diese erste Woche hier verbracht haben; das Ganze hat uns erheitert, und wir haben gelacht; das Gebäude hat gebebt von unserem Lachen. Denn wir waren, Merten, sehr viele …
Nachher sagten wir lachend ›Auf Wiedersehen‹ und ›Bis zum nächsten Mal, in einem Jahr!‹ Aber das nächste Mal war drei Monate später, und wir lachten nicht mehr so laut, denn wir waren weniger geworden. Merten – heute lacht niemand mehr. Sehen Sie sich um! Wo sind sie alle? Sagen Sie es mir – wo sind sie?«
Ich hatte mich erhoben und schrie ihm ins Gesicht. Müde senkte er den kahlen Schädel.
»Was werden Sie tun, wenn keiner mehr übrig ist? Wenn keiner mehr da ist, der euch Wahnsinn en gros liefert? Niemand mehr, den ihr zerbrechen und in den Tod treiben könnt?« Ich hielt erschöpft inne.
Merten sagte: »Wir haben noch Sie, Holly; und der Krieg ist bald vorbei.«
Ich steckte mit zitternden Händen eine Zigarette zwischen meine Lippen. Merten hielt mir Feuer
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