Scream
überwunden waren, zumal die geglückten Maßnahmen bei weitem überwogen.
Jetzt aber stand zu befürchten, dass das Fernsehen und die Zeitungen einen neuen Skandal witterten, gegen das Regierungsprogramm Front machten und Stoff für Verschwörungstheorien lieferten. Und in der Öffentlichkeit würde man sich wieder das Maul zerreißen.
Ganz zu schweigen vom Internet. Falls Munn recht behalten und der fragliche Patient beschließen sollte, die heruntergeladenen Dokumente zu veröffentlichen, würde in Sekundenbruchteilen die ganze Welt davon erfahren.
Alan hörte Schritte hinter sich. »Was ist, Henry?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
Munn stellte sich neben ihn, legte beide Hände aufs Balkongeländer und schaute hinaus aufs Meer. Er kaute auf einem hölzernen Rührstäbchen und blinzelte in die Morgensonne.
»Gardner hat am 10. Juni ein einfaches Flugticket nach Russland gekauft und mit seiner American-Express-Karte bezahlt. Laut Auskunft der Fluggesellschaft war er an Bord.«
Alans Wut legte sich. Er war jetzt ganz ruhig. Fokussiert. »Wir sollen also glauben, Gardner habe Patienteninformationen von der BMP-Datenbank runtergeladen, um sie an die Russen zu verkaufen.«
»Scheint so. Aber warum ausgerechnet an die Russen? Als Global Player spielen die doch kaum eine Rolle mehr. Die Chinesen vielleicht, aber nicht die Russen.«
»Himmel.«
»Und was außerdem stutzig macht, sind Gardners Finanzen. Er hat nur sein Sparkonto leer geräumt, besitzt aber außerdem jede Menge Pfandbriefe und Aktien, insgesamt über achteinhalb Millionen wert. Dazu das Haus mit all diesen bescheuerten Gemälden an den Wänden.«
Wenn er verschwinden wollte, hätte er bestimmt alles verkauft und versilbert. Ein so großes Vermögen zurückzulassen ergibt doch keinen Sinn.
»Er hatte es gar nicht nötig, geheime Informationen zu verkaufen«, fuhr Munn fort. »Und welches Land würde dafür so viel bezahlen, dass es sich für ihn lohnte?«
»Und er hätte wohl auch nicht mit seiner Kreditkarte den Flug bezahlt.«
»Oder unter seinem Namen gebucht. Seinen Pass haben wir übrigens im Wandsafe gefunden.« Munn strich mit dem Daumen über die Lippen. »Da will uns jemand auf den Arm nehmen.«
Alan seufzte. »So sieht es aus.«
»Noch eins. Meine Leute durchsuchen gerade Gardners Praxis. Der Laptop ist nirgends zu finden, weder dort noch im Haus. Es gibt nur noch eine Stelle, wo er sein könnte.«
Munn meinte das Forschungslabor in La Jolla.
»Meine Jungs könnten in fünfzehn Minuten da sein«, bot Munn an. »Soll ich sie hinschicken?«
»Sie werden nicht reinkommen. Nicht ohne Key Cards und Zugangscodes. Außerdem gibt’s da dieses thermographische Erkennungssystem. Das Haus ist ein einziger Tresor. Ich muss mir erst einmal etwas einfallen lassen, wie wir deine Leute reinschleusen können, ohne Alarm zu schlagen.«
Munn sah Alan an. »Wirst du Paris Bescheid sagen?« Paris war der Chef des F BI.
Alan blickte auf. »Für wie blöd hältst du mich? Paris wartet doch nur darauf, mir eins auszuwischen. Und außerdem, wenn wir’s ihm sagen, wird er alles nur noch schlimmer machen. Dem muss man doch sogar zeigen, wohin er abspritzen soll.«
Munn verzog keine Miene. »Wir finden den Kerl, Alan. Mach dir keine Sorgen. Bislang haben wir jeden zur Strecke gebracht.«
Alan schwieg. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Er fürchtete, dass es diesmal anders kommen würde.
IX
Kodadjo im Bundesstaat Maine war genau der richtige Ort für alle, die untertauchen wollten. Die kleine Stadt lag ganz im Norden, nicht weit von der kanadischen Grenze entfernt, eigentlich weniger eine Stadt als ein Waldgebiet, in dem es weit verstreut ein paar Wohnhäuser gab. Je tiefer er in dieses Gebiet hineinfuhr, desto stärker drängte sich ihm das Gefühl auf, in die Vergangenheit zurückzureisen.
Es war eine seltsame Wohngegend für einen FBI-Profiler, der sich auf Serienstraftaten spezialisiert und bereits dreiundzwanzig Täter überführt hatte.
Malcolm Fletchers Haus war wie alle Häuser in der Nachbarschaft von der Straße zurückgesetzt. Eine mit Schotter bestreute Zufahrt führte über eine weite Rasenfläche voller Unkraut und brauner Kiefernnadeln. Auf dem Grundstück standen keine Bäume, und über dem zweigeschossigen braun gestrichenen Haus öffnete sich ein ovaler Ausschnitt blauen Himmels. Entlang der gesamten Vorderseite erstreckte sich eine Veranda, die nachträglich angebaut worden zu sein schien. Alle Fenster waren
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