Scriptum
sich, waren die frühen Stadien immer die angenehmsten. Es gab durchaus Parallelen zwischen der Archäologie
und den Männern. Sie runzelte die Stirn. Es war tatsächlich wie in der Archäologie: Die erwartungsvolle Spannung zu Beginn
einer Beziehung, das Geheimnisvolle, der Optimismus und die Hoffnung lösten ihr Versprechen niemals wirklich ein.
Vielleicht würde es dieses Mal anders sein. In beiden Bereichen.
Bestimmt.
Während sie durch die frische Frühlingsluft lief, ging ihr ein Gedanke nicht aus dem Kopf: die Theorie des Monsignore, das
verborgene Geheimnis könne etwas mit Alchemie zu tun haben. Je länger sie darüber grübelte, desto unwahrscheinlicher erschien
es ihr. Und doch schien der Gesandtedes Vatikans so überzeugt davon. Eine Formel, mit der man Blei in Gold verwandeln konnte … Wer würde nicht alles tun, um sie vor gierigen Blicken zu schützen? Doch etwas daran passte einfach nicht ins Bild.
Das Faszinierendste war, dass Aimard geglaubt hatte, der Sturm sei ein Zeichen göttlichen Willens. Gott selbst habe gewollt,
dass das Meer für immer begrub, was sie mit sich führten. Wie kam er dazu, so etwas zu denken? Und dann die Frage nach der
Größe: Hier war nicht von Schatztruhen die Rede, sondern von einem einzigen Bündel, so klein, dass ein Mann es allein zu tragen
vermochte. Was konnte es enthalten, wofür Männer bereit waren, zu sterben und zu töten?
Fonsalis.
Wenn sie im Rennen bleiben wollte, musste sie das Rätsel lösen.
Was wohl bedeutete, dass ihr ein paar schlaflose Nächte bevorstanden. Und sie würde sicherstellen, dass ihr Pass in Ordnung
war.
Außerdem musste sie ihrer Mutter irgendwie erklären, dass sie nicht bereits in ein paar Tagen nach Arizona nachkommen würde.
Bei der Aussicht auf dieses Telefonat überkam sie ein mulmiges Gefühl.
De Angelis war kurz in sein Zimmer im Gästehaus zurückgekehrt. Seine Gedanken kreisten um die Probleme, mit denen er es möglicherweise
schon sehr bald zu tun bekommen würde. Er setzte sich auf die Kante seines harten Bettes und rief in Rom an, wobei er sich
bewusst nicht an jemanden wandte, der zum engeren Kreis um Kardinal Mauro gehörte. Es war wahrhaftig kein günstiger Moment,
um sich unbequemen Fragen zu stellen.
Dem Monsignore war klar, dass der Vorsprung, den er beim Aufspüren der vier Reiter gehabt hatte, ihm längst nichts mehr nützte.
Auch dass er über den schleppenden Fortgang der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten wurde, brachte ihn nicht wirklich
weiter. Er musste selbst aktiv werden, und zwar bald. Also erteilte er entsprechende Anweisungen, damit alles bereit war,
wenn er sich entschloss zu handeln.
Nachdem das erledigt war, nahm er einen Stapel Fotografien aus seiner Aktentasche, breitete sie auf dem Bett aus und betrachtete
sie eingehend. Tess beim Betreten und Verlassen des FB I-Gebäudes . Wie sie aus ihrem Haus in Mamaroneck kam und wie sie heimkehrte. Ihr Büro im Manoukian Institute. Nahaufnahmen, Fotos auf
mittlere Entfernung und Gesamtansichten. Selbst auf den zweidimensionalen, körnigen Bildern waren Selbstvertrauen und Entschlossenheit
erkennbar, die Tess im wirklichen Leben ausstrahlte. Zudem hatte sie eine rege Phantasie und großen Eifer bewiesen. Anders
als das FBI hatte sie sich rasch von der engstirnigen Vorstellung gelöst, bei dieser Angelegenheit handele es sich um bloßen
Diebstahl.
Ihr Hintergrundwissen, die Tatsache, dass sie Vance bereits vor der Begegnung auf dem Friedhof gekannt hatte, all das machte
sie gleichermaßen zu einer nützlichen Verbündeten und zu einer gefährlichen Gegnerin.
De Angelis tippte mit dem Finger auf eines der Bilder, mitten auf ihre Stirn.
Kluges Mädchen. Kluges, kluges Mädchen.
Wenn irgendjemand dieses Rätsel lösen konnte, war sie es, darauf hätte er Wetten abgeschlossen. Aber ihm war auch klar, dass
sie ihre Erkenntnisse nicht bereitwillig mit irgendjemandem teilen würde.
Man würde sie dazu bringen müssen, sie preiszugeben.
KAPITEL 49
Tess hatte jegliches Zeitgefühl verloren, aber nach der Ansammlung von Kaffeetassen auf ihrem Schreibtisch und der Menge an
Koffein, das durch ihre Adern strömte, zu schließen, mussten viele Stunden vergangen sein, seit sie sich an ihrem Computer
im Manoukian Institute eingeloggt hatte.
Das Büro war leer. Die Tauben und Spatzen draußen vor dem Fenster waren längst verschwunden, die Dämmerung legte sich über
den Garten. Eine weitere lange,
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