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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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zeigte.
    Tess stand auf und trat neben den Monitor. «Laut diesem Brief sind die Männer von Akkon aus in See gestochen – das liegt hier,
     im heutigen Israel, ein kleines Stück nördlich von Haifa – und in Richtung Zypern gesegelt, das heißt, zuerst nach Norden
     und dann nach Westen. Aber der Sturm hat sie überrascht, ehe sie ihr Ziel auch nur annähernd erreicht hatten.» Sie studierte
     schweigend die Karte. Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken ab, und in ihrer Phantasie stiegen Bilder von der verhängnisvollen
     Reise auf, Bilder, die so real schienen, dass es Tess für einen Moment vorkam, als sei sie selbst dabei gewesen. Sie musste
     sich zusammennehmen, um bei der Sache zu bleiben. «Alles hängt davon ab, in welche Richtung der Sturm sie verschlagen hat.
     Vielleicht östlich an der Insel vorbei, dann könnten sie irgendwo an der syrischen Küste gelandet sein oder an der Südostküste
     der Türkei, auf diesem Abschnitt hier   …» Sie zeichnete den Weg mit dem Finger nach. «Oder aber das Schiff wurde im Westen an Zypern vorbeigetrieben, was bedeuten
     würde, dass wir von dieser Region hier sprechen, der südwestlichen Küste der Türkei zwischen dem Golf von Antalya und Rhodos.»
    «Das ist ein ziemlich großes Zielgebiet», bemerkte Jansson irritiert.
    «Landschaftlich unterscheiden sich diese Küstenabschnittenicht wesentlich voneinander», erklärte Tess. «Nichts in dem Brief deutet darauf hin, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft.
     Fest steht, dass das Schiff dicht vor der Küste gesunken sein muss, wenn die Besatzung inmitten dieses gewaltigen Sturms Land
     sichten konnte.»
    Reilly studierte die Karte. «Zuerst mal sollten wir unsere Leute in der Türkei und in Syrien benachrichtigen.»
    Jansson hatte die Stirn in tiefe Furchen gelegt. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. «Was stellt sich dieser
     Vance eigentlich vor? Dass das, was sie in dem Grab versteckt haben – was immer es gewesen sein mag   –, heute noch da liegt und auf ihn wartet? Der Brief ist offenbar früher oder später irgendwie nach Frankreich gelangt. Woher
     weiß er, dass die Templer nicht Leute hingeschickt haben, um es zu holen?»
    Tess dachte an Vance’ Geschichte zurück.
Es heißt, von jenem Tag an habe er nie wieder gelächelt.
«Die Zeit ist ein entscheidender Faktor. Vance sagte, der alte Mann, der dem Priester das Manuskript zeigte – woraufhin der
     Priester weiße Haare bekam, Sie erinnern sich   –, der alte Mann galt als einer der letzten überlebenden Templer. Jacques de Molay und die anderen wurden 1314 auf dem Scheiterhaufen
     verbrannt. Die Geschichte von dem sterbenden Templer muss sich folglich später ereignet haben. Das heißt, mehr als zwanzig
     Jahre nach dem Untergang des Schiffes. Vance hofft vermutlich, wenn sie es bis dahin nicht geborgen hatten, sei niemand mehr
     übrig gewesen, der es hätte tun können.»
    Schweigen breitete sich aus. Für jemanden, der nicht wie Tess darin geschult war, Sinnzusammenhänge in der fernen Vergangenheit
     zu erkennen, war all das nicht leicht zu verarbeiten. Nach einer Weile ergriff Hendricks das Wort, dervermutlich neben ihr noch am deutlichsten den historischen Wert dieser Entdeckung erkannte. «Wir werden Simulationen von der
     Route dieses Schiffes durchführen. Unter Einbeziehung der jahreszeitlichen Winde, Strömungen und dergleichen. Außerdem müssen
     wir den Text noch einmal auf Details untersuchen, die mit der Geographie des einen oder anderen Landstriches übereinstimmen.
     Vielleicht ergeben sich daraus weitere Anhaltspunkte.»
    «Sie sollten außerdem überprüfen, welche Wracks in der Gegend gefunden wurden. Wer weiß, womöglich ist diese
Faucon du Temple
ja darunter.» Janssons ungeduldige Gesten verrieten, dass die Sitzung damit beendet war. Er wandte sich noch einmal an De
     Angelis. «Sie halten uns auf dem Laufenden?»
    «Sobald ich irgendetwas höre, lasse ich es Sie wissen», versicherte der Monsignore ruhig und unerschütterlich wie eh und je.
     
    Reilly begleitete Tess zu den Aufzügen im Foyer. Niemand sonst wartete dort. Als sie gerade auf den Knopf drücken wollte,
     um den Aufzug zu rufen, drehte sie sich zu ihm um und sah ihn forschend an.
    «Ich war etwas überrascht, dass Sie mich hergebeten haben. Nachdem Sie kürzlich noch gepredigt hatten, ich müsse unbedingt
     die Finger von dieser Sache lassen.»
    Reilly verzog das Gesicht und massierte sich die Stirn. Es war ein langer Nachmittag gewesen.

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