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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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unauffälligeSilberkreuz an der dünnen Halskette, das ihr bereits am Vorabend aufgefallen war. Heutzutage sah man das nicht mehr häufig,
     jedenfalls nicht bei der Art von Leuten, mit denen sie für gewöhnlich zu tun hatte. Es übte einen altmodischen Charme aus,
     dem sie sich nicht entziehen konnte. Sie hätte nie gedacht, dass sie so etwas auch nur im Entferntesten attraktiv finden könnte,
     aber bei ihm war es irgendwie etwas anderes. Es passte zu ihm, es war ein Teil dessen, was er war.
    Wenig später saßen sie bereits wieder in dem Pajero und fuhren über die holperige, von Schlaglöchern durchsetzte Straße tiefer
     hinein ins Landesinnere. Sie kamen an ein paar verlassenen Häusern und einem kleinen Bauernhof vorbei, ehe sie von der schmalen
     Straße, der sie bisher gefolgt waren, auf einen noch schmaleren, steil ansteigenden Waldweg abbogen.
    Während sie an einer Gruppe von Styraxbäumen vorbeifuhren, von denen ein junger Dorfbewohner gerade das aromatische Harz abzapfte,
     sah Tess in einiger Entfernung vor ihnen die Berge aufragen. Ihr Herz schlug vor Aufregung schneller.
    «Da, siehst du das?» Sie deutete auf einen Gipfel, der ein auffallend symmetrisches Profil aufwies. «Das ist er. Der Kenjik-Bergkamm
     mit dem Doppelhöcker.» Mit Feuereifer verglich sie ihre Karte und die mitgebrachten Aufzeichnungen mit der Landschaft, die
     vor ihnen lag. «Wir sind am Ziel! Das Dorf muss gleich hinter dieser Bergkette liegen.»
    Der Weg führte durch ein dichtes Pinienwäldchen, in das nur gedämpftes Tageslicht drang. Nachdem sie es hinter sich gelassen
     hatten, umrundeten sie noch einen kleinen Hügel und fuhren dann einen steilen Hang hinauf bis zum Höhenkamm.
    Doch was Tess dann vor sich sah, traf sie wie ein Hammerschlag.
    Vor ihnen, in dem Tal zwischen zwei üppig mit Pinien bewachsenen Bergketten, erstreckte sich ein riesiger See.

KAPITEL 56
    Tess erstarrte. Einen Moment lang blickte sie entgeistert auf den See hinaus, dann packte sie den Türgriff, und noch ehe der
     Wagen ganz zum Stehen gekommen war, sprang sie schon hinaus. Sie rannte bis an die Felskante und sah sich völlig verständnislos
     um. Das ruhige, dunkel schimmernde Wasser reichte von einem Talende bis zum anderen.
    «Das begreife ich nicht», stieß sie hervor. «Genau hier müsste es sein.»
    Reilly war neben sie getreten. «Wir sind wohl irgendwo falsch abgebogen.»
    «Unmöglich.» Tess war völlig außer sich. Sie ging im Geiste fieberhaft noch einmal die Wegstrecke durch, die sie zurückgelegt
     hatten, und überprüfte jeden einzelnen Anhaltspunkt. «Es passt alles perfekt. Wir sind Al-Idrisis Reiseroute exakt gefolgt.
     Es müsste hier sein, genau hier.» Sie weigerte sich hartnäckig, ihren Augen zu trauen, so offensichtlich es auch war, dass
     sie einen Fehler gemacht haben musste. Hastig kletterte sie zwischen Bäumen ein Stück den Hang hinunter zu einer Stelle, von
     der sie einen besseren Ausblick hatte. Reilly folgte ihr.
    Der See erstreckte sich nach rechts bis in die fernsten Ausläufer des Tales. Das linke Ufer war vom Wald verdeckt.
    Tess starrte noch immer ungläubig auf das stille Gewässer. «Ich kann es einfach nicht fassen.»
    Reilly nahm die Umgebung in Augenschein. «Es kann jedenfalls nicht allzu weit sein. Sicher haben wir uns auf dem Weg hierher
     irgendwo verfranzt.»
    «Aber wo denn?», versetzte Tess gereizt. «Wir haben uns haargenau an die Beschreibung gehalten, bis hin zu dem Bergkamm mit
     dem Doppelhöcker. Dies ist ganz genau die Stelle.» Sie studierte eingehend ihre Karte. «Hier ist überhaupt kein See eingezeichnet.»
    Sie sah Reilly an und stieß einen tief enttäuschten Seufzer aus.
    Er legte den Arm um sie. «Ich bin sicher, dass wir ganz dicht dran sind. Wir waren stundenlang unterwegs, lass uns erst mal
     einen Ort suchen, wo wir etwas zu essen bekommen. Anschließend können wir deine Aufzeichnungen noch einmal durchgehen.»
     
    Das Dorf war klein, die einzige
Lokanta
winzig und ausschließlich von Einheimischen besucht. Ein alter Mann mit gefurchtem Gesicht und dunklen Knopfaugen nahm ihre
     Bestellung entgegen, was mehr oder weniger darauf hinauslief, dass er aufzählte, was er hatte, und die beiden sich mit allem
     einverstanden erklärten. Wenig später hatten sie zwei Flaschen Efes-Bier und einen Teller mit gefüllten Weinblättern vor sich
     stehen.
    Tess war in ihre Notizen versunken. Sie hatte sich inzwischen beruhigt, war aber noch immer sichtlich

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