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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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niedergeschlagen.
    «Iss», riet Reilly ihr, «dann kannst du besser schmollen.»
    «Ich schmolle nicht», murmelte sie und blickte verärgert auf.
    «Lass mich mal sehen.»
    «Was?» Sie funkelte ihn an.
    «Deine Aufzeichnungen. Gehen wir sie zusammen nochmal Schritt für Schritt durch.»
    Sie schob die Papiere von sich, lehnte sich zurück und ballte ihre Fäuste, bis die Knöchel weiß wurden. «Wir sind so dicht
     dran. Ich spüre es.»
    Der alte Mann kam mit zwei Tellern aus der Küche, gefüllte Kohlblätter und gegrillte Lammspieße. Reilly sah zu, wie er das
     Essen auf den Tisch stellte, nickte ihm dankend zu und wandte sich dann an Tess. «Vielleicht sollten wir ihn mal fragen?»
    «
Bir el Safsaf
ist seit Jahrhunderten auf keiner Karte mehr verzeichnet», grummelte sie. «Ich bitte dich, Sean. Er ist alt, aber so alt nun
     auch wieder nicht.»
    Reilly hörte ihr gar nicht zu. Sein Blick ruhte auf dem alten Mann, der grinsend seine Zahnlücken entblößte und ihm treuherzig
     zunickte. Ein erwartungsvolles Prickeln überlief Reilly.
«Bir el Safsaf?»,
fragte er den alten Mann zögerlich und setzte dann langsam hinzu: «Wissen Sie, wo das ist?»
    Der alte Mann nickte heftig mit dem Kopf.
«Bir el Safsaf»,
wiederholte er.
«Evet.»
    Tess sprang mit leuchtenden Augen auf. «Was?» Der alte Mann nickte erneut. «Wo?», drängte sie aufgeregt. «Wo ist es?» Er bestätigte,
     was er gesagt hatte, schien nun allerdings ein wenig verwirrt. Stirnrunzelnd versuchte Tess es noch einmal.
«Nerede?»
    Der Alte deutete den Hang hinauf, von dem sie eben gekommen waren. Tess folgte mit dem Blick seiner ausgestrecktenHand. Er winkte in Richtung Norden. Tess war bereits unterwegs zum Wagen.
     
    Minuten später erklomm der Pajero mit heulendem Motor ein weiteres Mal den Hang. Der alte Mann auf dem Beifahrersitz klammerte
     sich panisch an dem Griff über seinem Fenster fest. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, während draußen der Berg an ihm
     vorbeirauschte und der Wind durch die offene Scheibe hereinfegte. Seine Schreie –
«Yavaş, yavaş»
– feuerten den grinsenden Reilly nur an, noch wilder zu fahren. Tess, die auf dem Rücksitz saß, beugte sich angespannt vor
     und versuchte, sich trotz der Geschwindigkeit jede Einzelheit der Landschaft einzuprägen.
    Kurz vor dem Höhenkamm, von dem aus sie den See gesehen hatten, gab der alte Mann Handzeichen und rief
«Göl, göl».
Reilly riss das Lenkrad herum, um auf einen Pfad abzubiegen, den sie zuvor nicht bemerkt hatten. Zweige peitschten gegen die
     Seiten des Geländewagens, doch er preschte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Nach etwa einem Kilometer lichteten
     sich die Bäume, und sie erreichten wiederum einen Bergrücken.
    Der alte Mann deutete aufgeregt grinsend nach unten.
«Orada, orada! Ste!»
    Als sich die Sicht über das Tal auftat, traute Tess ihren Augen nicht.
    Es war der See.
    Schon wieder.
    Zutiefst niedergeschlagen blickte sie Reilly an, der das große Auto unsanft zum Stehen brachte. Alle drei stiegen aus und
     gingen zum Rand der kleinen Lichtung hinüber, wobei der alte Mann noch immer nickte und sehr zufrieden mitsich selbst schien. Tess betrachtete ihn kopfschüttelnd, dann wandte sie sich an Reilly. «Wir mussten natürlich ausgerechnet
     einen senilen Alten erwischen.» An den Einheimischen gerichtet, fragte sie flehentlich:
«Bir el Safsaf? Nerede?»
    Er runzelte sichtlich verwirrt die Stirn.
«Orada»,
beharrte er und deutete auf den See hinunter.
    Reilly trat ein paar Schritte vor und sah sich noch einmal nach allen Seiten um. Von dieser Stelle aus konnte er den ganzen
     See überblicken, auch dessen westliches Ende, das bisher von Bäumen verdeckt gewesen war.
    Er drehte sich zu Tess um, ein spöttisches Lächeln im Gesicht. «Wahrlich, ihr Kleingläubigen.»
    «Was soll das denn heißen?», versetzte sie ungehalten. Er winkte sie ruhig zu sich heran. Nach einem weiteren Blick zu dem
     alten Mann, der eifrig nickend seine Zustimmung bekundete, stolperte sie völlig verständnislos zu Reilly hinüber. Jetzt sah
     sie es auch.
    Gut anderthalb Kilometer entfernt begrenzte eine Betonmauer den See. Ein Staudamm.
    «O Gott», stieß Tess hervor.
    Reilly hatte ein Notizbuch aus der Tasche gezogen und skizzierte rasch einen Querschnitt der Berge mit einer Linie dazwischen,
     die die Wasseroberfläche andeutete. Dann kritzelte er auf den Grund des Sees vage ein paar Häuser und zeigte die Skizze schließlich
     dem alten Mann. Dieser

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