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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Wochen Revue passieren zu lassen. Wie war sie nur in diese Situation geraten, sechzig Kilometer vor der türkischen Küste auf
     einem Tauchschiff, gemeinsam mit einemMann, der einen bewaffneten Überfall auf das Metropolitan Museum begangen hatte, bei dem Menschen gestorben waren. In den
     ersten Tagen hatte sie sich mit Schuldgefühlen gequält, weil sie Reilly im Stich gelassen und sich Vance angeschlossen hatte.
     Sie litt unter Panikattacken und konnte oft nur mit großer Mühe dem Drang widerstehen, das Schiff zu verlassen. Doch mit der
     Zeit hatten sich die Sorgen gelegt. Manchmal versuchte sie, ihre Entscheidungen rational zu betrachten, die beunruhigenden
     Gedanken zu verdrängen und sich davon zu überzeugen, dass sie etwas Wichtiges tat. Etwas, das nicht nur ihre Karriere pushen
     und ihr und Kim finanzielle Sicherheit garantieren würde, sondern für Millionen Menschen von Bedeutung wäre. Doch eigentlich
     war jede Rechtfertigung überflüssig, da sie wie unter einem unerklärlichen Zwang handelte.
    Die Erinnerung an Reilly konnte sie jedoch nicht verdrängen. Wie es ihm gehen mochte? Wie ein Dieb in der Nacht hatte sie
     sich davongestohlen und ihn im Stich gelassen. Es war falsch gewesen, richtig falsch. Sie hatte ihn im Nirgendwo zurückgelassen,
     obwohl in der Gegend ein Scharfschütze lauerte. Wie hatte sie nur so rücksichtslos handeln können? Die Vorstellung, es womöglich
     nicht mehr gutmachen zu können, schmerzte sie. Andererseits wusste sie aber auch, dass Vance Recht hatte, als er sagte, Reilly
     werde ihre Entdeckung an Menschen übergeben, die sie für immer begraben würden. Diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen.
    Die
Savarona
stampfte durch die etwa zwei Meter hohen Wellen und startete einen neuen Suchlauf im vorgezeichneten Raster. Tess’ Blick wanderte
     von den Kabeln zum Horizont, wo dunkle Wolkenfetzen über einen ansonsten klaren Himmel zogen. Ihre Brust war wie zugeschnürt.
     Seit derNacht, in der sie mit Vance verschwunden war, nagte eine ständige Unsicherheit an ihr: Tat sie wirklich das Richtige? Hatte
     sie sich alles gründlich überlegt? Sollten bestimmte Geheimnisse lieber verborgen bleiben? War das Streben nach Wahrheit in
     diesem Fall klug und edel, oder würde sie die ahnungslose Menschheit in eine furchtbare Katastrophe stürzen?
    Vance kam aus dem Ruderhaus und trat neben sie an die Reling. Er wirkte verärgert.
    «Noch nichts?», erkundigte sich Tess.
    Kopfschütteln. «Nach diesem Lauf müssen wir für heute verschwinden.» Er sog tief die Meeresluft ein. «Aber ich mache mir keine
     Sorgen. Noch drei Tage, dann haben wir das gesamte Suchgebiet durchkämmt.» Er lächelte sie an. «Wir werden es finden. Es ist
     irgendwo da draußen und spielt mit uns Verstecken.»
    Ein fernes Brummen lenkte ihn ab. Er suchte blinzelnd den Horizont ab und runzelte die Stirn, als er die Geräuschquelle ausmachte.
     Tess folgte seinem Blick und sah es ebenfalls: ein winziger Punkt, ein Hubschrauber, der einige Kilometer entfernt über die
     Meeresoberfläche strich und scheinbar einen parallelen Kurs zur
Savarona
verfolgte. Sie ließen ihn nicht aus den Augen, bis er abdrehte. Sekunden später war er nicht mehr zu sehen.
    «Das war’s dann, oder? Die suchen nach uns.»
    «Wir befinden uns in internationalen Gewässern», meinte Vance achselzuckend. «Allerdings haben sie sich bisher auch nicht
     an die Regeln gehalten.» Er schaute zur Brücke hinauf, wo gerade ein Ingenieur den Kontrollraum betrat. «Wissen Sie, was komisch
     ist?»
    «Was denn?»
    «Die Mannschaft. Es sind sieben, mit uns beiden also neun. Genau wie Hugues de Payens und seine Truppe. Poetisch, nicht wahr?»
    Tess wandte sich ab, da sie ihr Vorhaben alles andere als poetisch fand. «Ich frage mich, ob die jemals so stark gezweifelt
     haben wie ich.»
    Vance musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. «Sie haben es sich doch nicht anders überlegt, oder?»
    «Und Sie?» Sie bemerkte, dass ihre Stimme zitterte, was auch Vance nicht verborgen blieb. «Was wir hier tun, was wir finden
     könnten   … Beunruhigt Sie das überhaupt nicht?»
    «Beunruhigen?»
    «Sie wissen genau, was ich meine. Haben Sie nicht ein einziges Mal daran gedacht, welches Chaos wir heraufbeschwören könnten?»
    Vance sah sie spöttisch an. «Der Mensch ist ein erbärmliches Wesen, immer verzweifelt auf der Suche nach jemandem oder etwas,
     das er verehren kann. Und dann sollen alle es verehren, nicht nur er allein. Dies war seit

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