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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Christus würden Millionen Seelen ziellos dahintreiben. Agent Reilly,
     wenn wir einen Fehler machen, stürzt die Welt in eine Verzweiflung und Desillusionierung, wie wir sie noch nie erlebt haben.»
    Drückendes Schweigen hing im Raum. Reilly konnte sich den unangenehmen Gedanken, die seinen Verstand blockierten, nicht entziehen.
     Er erinnerte sich an den Beginn dieser ganzen Geschichte, als er am Abend des Reiterangriffs mit Aparo auf den Stufen des
     Metropolitan Museum gestanden hatte, und fragte sich, wie es ihn hierher ins Epizentrum des Glaubens verschlagen hatte, mitten
     in ein zutiefst verstörendes Gespräch, das er lieber nicht geführt hätte.
    «Wie lange wissen Sie es schon?», fragte er den Kardinal.
    «Ich persönlich?»
    «Ja.»
    «Seit ich dieses Amt übernommen habe. Das war vor dreißig Jahren.»
    Reilly nickte bei sich. Eine furchtbar lange Zeit, in der Brugnone sich womöglich mit den gleichen Zweifeln gequält hatte
     wie er jetzt. «Aber Sie haben sich damit abgefunden.»
    «Abgefunden?»
    «Sie akzeptieren es.»
    Brugnone überlegte einen Moment, seine Augen wirkten besorgt. «Ich werde mich nie damit abfinden, nicht so, wie Sie es meinen.
     Aber ich habe gelernt, mich dem anzupassen. Mehr konnte ich nicht tun.»
    «Wer weiß es sonst noch?» Reilly hörte den Vorwurf in seiner Stimme und spürte, dass auch Brugnone ihn vernahm.
    «Eine Hand voll von uns.»
    Reilly fragte sich, wie viele es genau sein mochten. Was warmit dem Papst? Wusste er Bescheid? Er hätte es wirklich gern gewusst – eigentlich undenkbar, dass der Papst nicht im Bilde
     war   –, verzichtete aber auf die Frage. Nicht zu viele Angriffe gleichzeitig. Dann fiel ihm etwas anderes ein. Sein Forscherdrang
     meldete sich zurück und verdrängte alle quälenden Sorgen.
    «Woher wissen Sie eigentlich, dass das Tagebuch echt ist?»
    Brugnones Blick erhellte sich, seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Reillys hoffnungsvoller Ansatz schien ihn
     zu ermutigen, doch der bittere Ton strafte seinen Ausdruck Lügen. «Der Papst schickte seine bedeutendsten Experten nach Jerusalem,
     als die Templer das Tagebuch entdeckten. Sie bestätigten seine Echtheit.»
    «Aber das ist fast tausend Jahre her», wandte Reilly ein. «Sie könnten sich durchaus getäuscht haben. Wenn es nun doch eine
     Fälschung war? Soweit ich weiß, lag das durchaus in der Macht der Templer. Und doch sind Sie bereit, es zu akzeptieren, obwohl
     Sie es nie gesehen haben?» Die nächste Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. «Was nur bedeuten kann, dass Sie die Geschichte
     der Evangelien immer angezweifelt haben!»
    Brugnone schenkte ihm einen strahlenden, tröstenden Blick. «Es gibt jene, die glauben, die Geschichte sei immer nur metaphorisch
     gemeint gewesen; man könne das Christentum wahrhaft verstehen, indem man den Kern der Botschaft versteht. Die meisten Gläubigen
     hingegen nehmen jedes Wort der Bibel für bare Münze, wenn Sie den Ausdruck verzeihen. Ich selbst stehe wohl irgendwo dazwischen.
     Vielleicht bewegen wir uns alle auf einem schmalen Grat. Einerseits wollen wir unseren Geist offen machen für die Wunder der
     Geschichte, andererseits zweifelt unser Verstand an deren Wahrheit. Falls die Templer tatsächlich eine Fälschungentdeckt haben sollten, würden wir uns intellektuell gewiss wohler fühlen als bisher, doch bis wir geborgen haben, was sich
     auf dem Schiff befindet   …» Er sah Reilly eindringlich an. «Werden Sie uns helfen?»
    Reilly schwieg und musterte das faltige Gesicht seines Gegenübers. Er spürte, dass der Kardinal im Grunde seiner Seele ein
     ehrlicher Mensch war, zweifelte aber nicht an De Angelis’ unlauteren Motiven. Half er dem Kardinal, würde er unwillkürlich
     auch dem Monsignore helfen, was ihm wenig verlockend erschien. Er schaute zu De Angelis hinüber. Nichts von dem, was er gehört
     hatte, konnte sein Misstrauen gegenüber dem doppelzüngigen Priester und seine Verachtung für dessen Methoden zerstreuen. Doch
     zunächst gab es wichtigere Dinge. Irgendwo da draußen war Tess mit Vance allein, und eine vernichtende Entdeckung bedrohte
     Millionen argloser Seelen.
    Er schaute Brugnone an. «Ja», antwortete er schlicht.

KAPITEL 72
    Tess stand auf dem Achterdeck der
Savarona
, eines umgerüsteten Trawlers. Ein leichter Wind aus Südost strich über das Wasser und ließ einen zarten, salzigen Dunst aufsteigen,
     den sie beinahe schmecken konnte. Sie genoss die frischen Morgen auf See und die ruhige

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