Scriptum
kam ihm über kurz oder lang das, was mit seinem Vater passiert
war, in die Quere. An irgendeinem Punkt befielen ihn unweigerlich die alten Ängste und bereiteten der Beziehung, bevor sie
überhaupt richtig begonnen hatte, ein Ende.
Du musst dich von diesen Ängsten lösen. Dir muss nicht zwangsläufig dasselbe passieren.
Reilly wandte den Blick nach vorn und bemerkte eine Rauchwolke sowie zwei Löschzüge der Feuerwehr, die mit heulenden Sirenen
darauf zurasten. Er sah Aparo an, der sofort nach dem Blaulicht griff und es auf dem Dach befestigte, während Reilly die Sirene
losheulen ließ. Aparo gab Gas und bahnte sich rasant einen Weg durch die dicht an dicht dahinfahrende Fahrzeugkolonne.
Als sie auf den Parkplatz des Reitstalls einbogen, sah Reilly dort außer den Feuerwehrlöschzügen auch mehrere Streifenwagen
und einen Krankenwagen stehen. Aparo parkte den Wagen etwas abseits. Sie stiegen aus und eilten im Laufschritt auf den Stall
zu, wobei sie sich ihre FB I-Abzeichen ans Revers hefteten. Einer der Polizisten kam ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen, aber als er die Abzeichen sah, ließ
er sie passieren.
Ein beißender Geruch nach verbranntem Holz hing in der Luft, obwohl der Brand schon so gut wie gelöscht war. Im dichten Qualm
stolperten drei oder vier Leute in dem Gewirr von Feuerwehrschläuchen umher, das sich über den Boden schlängelte, anscheinend
Stallpersonal, und versuchten, verängstigte Pferde zu beruhigen. Ein Mann in einem anthrazitgrauen Regenmantel stand daneben
und blickte ihnen mit grimmigem Gesichtsausdruck entgegen.
Reilly stellte sich und Aparo vor. Der Polizist, ein Sergeant namens Milligan, wirkte wenig begeistert. «Jetzt erzählen Sie
mir nicht», sagte er in sarkastischem Tonfall, «Sie wären rein zufällig in der Gegend gewesen.»
Reilly deutete mit dem Kopf auf den niedergebrannten Stall. «Branko Petrovic», stellte er einfach fest.
Milligan zuckte mit den Schultern und marschierte voraus. Im Stall kauerten zwei Sanitäter, ein Mann und eine Frau, neben
einem leblosen Körper. Unweit daneben lehnte eine leichte Trage.
Nach einem kurzen Blick auf die Leiche schaute Reilly zu Milligan, der ihn auch gleich verstand: Der Stall war als Tatort
zu behandeln. Todesfall unter verdächtigen Umständen. «Was ist bisher bekannt?», fragte er.
Milligan beugte sich über den verkohlten Leichnam, der verkrümmt und verschrumpelt inmitten durchnässten und gesplitterten
Holzes lag. «Sagen Sie mir’s doch. Ich dachte, das wäre eine relativ eindeutige Sache.»
Reilly warf einen Blick über Milligans Schulter. Schwarz verschmortes Fleisch und mit Ruß und Löschwasser vermischtes Blut
bildeten eine ununterscheidbare, breiige Masse. Dass der linke Arm, der neben dem Leichnam lag, nicht mehr mit dem Rumpf verbunden
war, machte den Anblick noch grausiger. Reilly runzelte die Stirn. Das, was von Branko Petrovic übrig geblieben war, hatte
kaum noch Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt.
«Woher wissen Sie, dass er es ist?», fragte er.
Milligan deutete mit dem Finger seitlich auf die Stirn des Toten. Dort befand sich eine Einkerbung, die, das war trotz der
Verkohlung zu erkennen, eindeutig älteren Datums war. «Da hat ihm vor Jahren mal ein Pferd einen Huftritt verpasst. Als er
noch bei der Polizei war. Darauf war er immer stolz, dass er einen solchen Tritt gegen den Kopf überlebt hat.»
Reilly ging in die Hocke, um sich die Narbe näher anzuschauen.Dabei blieb ihm nicht verborgen, dass der Sanitäterin, einer dunkelhaarigen jungen Frau um die zwanzig, irgendetwas auf den
Nägeln zu brennen schien. Reilly schaute sie an. «Haben Sie etwas für uns?»
Sie lächelte und hielt Petrovic’ linkes Handgelenk hoch. «Sagen Sie dem Leichenbeschauer bloß nicht, dass ich hier so vorpresche,
aber offenbar war jemand nicht gut zu sprechen auf den Mann. Sein anderes Handgelenk ist völlig verkohlt, aber sehen Sie das
hier?» Sie zeigte auf den abgetrennten Arm. «Die Quetschungen sind noch klar zu erkennen. Er war mit Handschellen gefesselt.»
Sie deutete zur Türöffnung. «Er war links und rechts festgekettet, würde ich sagen. Als wäre er quer durch die Türöffnung
gekreuzigt worden.»
Aparo verzog das Gesicht bei der Vorstellung. «Soll das heißen, jemand hat die Pferde über ihn weg trampeln lassen?»
«Oder mitten durch ihn durch», fügte Reilly hinzu.
Sie nickte. Reilly bedankte sich bei ihr und ihrem Kollegen und
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