Scriptum
mitten durch ihn hindurch.
KAPITEL 25
«Dann erzähl doch mal ein bisschen von diesem Mädel.»
Reilly stöhnte auf. Das hatte er kommen sehen. Vor genau diesem Moment hatte ihm gegraut, seit er seinem Partner von der Unterhaltung
mit Tess berichtet hatte. «Dieses
Mädel
?», erwiderte er kühl.
Er und Aparo waren unterwegs nach Osten, durch die verstopften Straßen von Queens. Bis auf die Farbe war der Pontiac, der
ihnen zugeteilt worden war, praktisch ein Duplikat des Chryslers, den sie bei der Jagd auf Gus Waldron zu Schrott gefahren
hatten. Aparo verzog das Gesicht, während er den Wagen vorsichtig um einen Laster herum steuerte, der mit qualmendem Kühler
am Straßenrand stand. Der Fahrer war herausgeklettert und trat zornig gegen einen Vorderreifen.
«Entschuldigung, Miss Chaykin, meine ich.»
Reilly überspielte seine Verlegenheit, so gut es ging. «Da gibt’s nichts zu erzählen.»
«Na komm.» Aparo kannte seinen Partner besser als jeder andere, aber er hatte auch nicht viel Konkurrenz. Reilly war nicht
der Typ, der andere Menschen an sich heranließ.
«Was willst du von mir?»
«Sie hat dich angesprochen. Aus heiterem Himmel. Nach allem, was sie an dem Abend im Museum durchgemacht hat,erinnert sie sich einfach so an dich, und das nach einem flüchtigen Blick quer durch dieses riesige Foyer?»
«Was soll ich sagen?» Reilly blickte starr geradeaus. «Die Dame hat eben ein fotografisches Gedächtnis.»
«Ein fotografisches Gedächtnis, dass ich nicht lache», schnaubte Aparo. «Die Kleine ist auf der Pirsch.»
Reilly verdrehte die Augen. «Sie ist nicht auf der ‹Pirsch›. Bloß … neugierig.»
«Sie verfügt also über ein fotografisches Gedächtnis und einen wissbegierigen Geist. Und sie sieht unheimlich süß aus. Aber
das ist dir nicht aufgefallen. Nein, nein. Du hast nur an den Fall gedacht.»
Reilly zuckte die Achseln. «Na gut, ein bisschen ist es mir vielleicht schon aufgefallen.»
«Gott sei Dank. Er atmet. Er lebt», spöttelte Aparo. «Dass sie Single ist, weißt du doch, oder?»
«Habe ich bemerkt, ja.» Reilly hatte dem keinen allzu großen Wert beizumessen versucht. Er hatte an dem Morgen das Protokoll
der Aussage gelesen, die Tess im Museum bei Amelia Gaines gemacht hatte. Danach hatte er einen für Recherche zuständigen Kollegen
beauftragt, die Berge von Akten, die sie über extremistische Gruppen im ganzen Land führten, nach Hinweisen auf die Tempelritter
zu durchforsten.
Aparo musterte ihn kurz. Er kannte ihn gut und wusste genau, was in ihm vorging. Und er stichelte gern. «Keine Ahnung, aber
wenn so eine Braut mir ein eindeutiges Angebot machen würde, würde ich mich nicht lange bitten lassen.»
«Du bist doch verheiratet.»
«Träumen werde ich doch wohl noch dürfen, oder?»
Sie hatten die 405 verlassen und waren jetzt bald aus Queens heraus. Die Adresse in Petrovic’ Akte war überholt,aber immerhin konnte sein früherer Vermieter ihnen sagen, wo Petrovic arbeitete. Hier irgendwo in der Gegend musste sich der
Reitstall befinden. Reilly warf einen Blick auf den Stadtplan, erklärte Aparo, wo er entlangfahren musste, und kehrte dann,
weil sein Partner ja doch nicht lockerlassen würde, widerwillig zum Thema zurück. «Im Übrigen hat sie mir kein eindeutiges
Angebot gemacht», stellte er klar.
«Aber natürlich nicht. Sie ist bloß eine Bürgerin, die sich um das allgemeine Wohl sorgt.» Aparo schüttelte den Kopf. «Das
kapiere ich nicht. Du bist Single, du bist nicht potthässlich, du leidest nicht unter irgendwelchen abstoßenden Körpergerüchen.
Und trotzdem … Hör zu, wir braven Ehemänner brauchen Kumpel wie dich, Kerle, die sich stellvertretend für uns austoben, und du, na ja,
du bist eine herbe Enttäuschung für uns alle.»
Dem konnte Reilly leider nichts entgegensetzen. Seine letzte Beziehung zu einer Frau lag schon Ewigkeiten zurück, und wenn
er sich auch hüten würde, seinem Partner davon zu erzählen, konnte er doch nicht abstreiten, wie attraktiv er Tess gefunden
hatte. Allerdings hatte er den Eindruck, dass Tess Chaykin, ganz wie Amelia Gaines, nicht die Sorte Frau war, die für ein
flüchtiges Techtelmechtel zu haben war. Aber so etwas lag ihm ohnehin nicht. Und genau darin bestand das Paradox, das seiner
Einsamkeit zugrunde lag. Er musste eine Frau schon absolut hinreißend finden, sonst hatte er kein Interesse. Doch wenn sie
über das gewisse Etwas verfügte, das er unwiderstehlich fand,
Weitere Kostenlose Bücher