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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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lächelte.
    «Ach, ich vergaß – Sie sind im Dienst, nicht wahr? Dann lieber einen Kaffee?»
    «Nein, es ist nicht deswegen. Nur   …» Er stockte.
    «Was dann?»
    Zögernd fuhr er fort: «Es ist wegen der Fastenzeit.»
    «Fastenzeit? Wirklich?»
    «Ja.»
    «Und ich nehme an, Sie nutzen das nicht bloß als Vorwand zum Abnehmen, wie?»
    Er schüttelte nur den Kopf.
    «Vierzig Tage ohne Alkohol. Wow.» Im nächsten Moment errötete sie. «Okay, das kam wohl etwas komisch rüber. Nicht dass Sie
     jetzt denken, ich wäre ein Fall für die Anonymen Alkoholiker oder so.»
    «Zu spät. Der Eindruck sitzt fest.»
    «Na großartig.» Sie ging zum Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Weißwein ein. «Komisch, ich hätte einfach nicht gedacht,
     dass sich noch jemand daran hält. Erst recht nicht in dieser Stadt.»
    «Dabei liegt es doch gerade hier besonders nahe, ein   … spirituelles Leben zu führen.»
    «Sie scherzen. In New York City?»
    «Nein, ich scherze durchaus nicht. Diese Stadt ist der ideale Ort dafür. Überlegen Sie doch mal, es mangelt hier ja nicht
     gerade an moralischen und ethischen Herausforderungen. Die Unterschiede zwischen richtig und falsch, gut und böse liegen in
     dieser Stadt ziemlich deutlich auf der Hand. Man ist geradezu gezwungen, klare Entscheidungen zu treffen.»
    Tess brauchte eine Weile, um das Gehörte zu verarbeiten. «Und wie weit geht Ihre Religiosität? Wenn es Ihnen nichts ausmacht,
     dass ich danach frage.»
    «Nein, gar nicht.»
    Sie grinste. «Erzählen Sie mir jetzt aber bitte nicht, dass Sie zu irgendeiner Kuhweide in der Pampa pilgern, weil jemand
     sich einbildet, dort in den Wolken die Jungfrau Maria gesehen zu haben oder so.»
    «Nein, jedenfalls nicht in letzter Zeit. Ich nehme an, Sie sind kein besonders religiöser Mensch.»
    «Nun   … sagen wir es so, für mich bräuchte es schon etwas Überzeugenderes, ehe ich durchs halbe Land tingeln würde.»
    «Etwas Überzeugenderes. Sie meinen also, Sie bräuchten ein Zeichen. Ein unwiderlegbares, hieb- und stichfestes Wunder?»
    «So etwas in der Art.»
    Er sagte nichts, sondern lächelte nur.
    «Was ist?»
    «Schauen Sie, mit den Wundern ist das so eine Sache   … Wenn Sie gläubig sind, brauchen Sie keine, und wenn Sie ein Zweifler sind, tja, dann kann kein Wunder jemals genügen, Sie
     umzustimmen.»
    «Ach, ich könnte mir schon ein paar Dinge vorstellen, die mich durchaus überzeugen würden.»
    «Vielleicht gibt es solche Dinge ja tatsächlich. Vielleicht nehmen Sie sie einfach nicht wahr.»
    Das irritierte Tess nun wirklich. «Okay, Moment mal. Sie stehen hier mit Ihrer FB I-Dienstmarke und wollen mir allen Ernstes erzählen, dass Sie an Wunder glauben?»
    Er zuckte die Schultern. «Nehmen wir mal an, Sie gehen die Straße entlang und möchten die Fahrbahn überqueren. Aber dann,
     gerade als Sie den ersten Schritt tun wollen, halten Sie am Bordstein ohne besonderen Grund inne. Und genau in diesem Sekundenbruchteil,
     den Sie zögern, rast ein Bus oder ein LKW nur Zentimeter an Ihnen vorbei, genau dort, wo Sie gewesen wären, wenn Sie nicht
     gezögert hätten. Sie wissen selbst nicht warum, aber etwas hat Sie bewogen innezuhalten. Dieses Etwas hat Ihnen das Leben
     gerettet. Und wissen Sie was? Wenn Sie nachher jemandem davon erzählen,würden Sie wahrscheinlich sagen: ‹Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe.› Für mich ist es genau das: ein Wunder.»
    «Sie nennen es ein Wunder, ich nenne es Glück.»
    «Wenn Sie selbst vor einem Wunder stehen, fällt es nicht schwer zu glauben. Die eigentliche Prüfung jedes Glaubens findet
     dann statt, wenn die Zeichen ausbleiben.»
    Tess war noch immer überrascht, Reilly von dieser unerwarteten Seite kennen zu lernen. «Das alles ist wirklich Ihr Ernst.»
    «Vollkommen.»
    Sie musterte ihn und ließ sich die Angelegenheit eine Weile durch den Kopf gehen. «Okay, sagen Sie mir eins», forderte sie
     Reilly schließlich auf. «Wie verträgt sich ein solcher Glaube, also ein echter, aufrichtiger Glaube wie der Ihre, mit der
     Arbeit eines Ermittlers?»
    «Wie meinen Sie das?»
    Sie hegte den Verdacht, dass er genau wusste, worauf sie hinauswollte. Bestimmt hatte er sich diese Frage schon vor längerer
     Zeit selbst gestellt. «Ein Ermittler darf an nichts und niemanden einfach glauben. Sie dürfen nichts als sicher hinnehmen.
     Sie haben es mit Tatsachen zu tun, mit Beweisen. Über jeden vernünftigen Zweifel erhaben und so.»
    «Ja.» Ihre Frage schien ihn in keiner

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