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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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zog sich ein mit Gestrüpp bewachsener Hang zu den Felsen und dem endlosen Heben und Senken des Atlantik hinab. Er beobachtete das langsame Anschwellen und Zurücksinken der Wellen, und sein Zorn verflog.
    Scudder machte sich etwas aus ihm, soviel, daß er um sich schlug. Soviel, daß er ihn beim Namen nannte. Aber das war bestenfalls eine bittere Freude … Und selbst hier lag eine Arroganz, eine Anmaßung seiner eigenen überlegenen Wahrnehmungen. So subtil die Analyse, so unvoreingenommen die Weisheit, so kühl der Edelmut. Nichts davon war geeignet, ihn mit sich selbst zufrieden zu machen. Dennoch machte auch er sich etwas daraus, in seiner eigenen Weise.
    Ungefähr um fünf kam ein, Anruf. Pete lag auf dem Bett und starrte zum Baldachin auf. Er ließ es läuten und wartete, daß Scudder abnehme. Er war schon lästig genug gefallen. Aber das Läuten dauerte an, und schließlich nahm er selbst ab.
    »Pete Laznett.«
    »Pete – Hartford hier. Mann Gottes, wie geht es dir?«
    »Gut.«
    »Freut mich, das zu hören. Paß auf, Pete – ich habe dich beim Hummerpicknick vermißt. Aber heute abend ist oben bei Alice eine Party. Wir fragten uns, ob du nicht kommen möchtest.«
    Pete ließ den Kopf ins Kissen zurücksinken und schloß die Augen. Alice mußte Alice Shakewell sein. Das Haus, wo auch Grace wohnte. Aber: »Danke, Hartford, aber es war ein langer Tag für mich. Ich bin erst heute gekommen, weißt du. Sag allen meinen Dank, aber ich glaube, ich werde lieber nicht kommen.«
    »Schade. Nun ja, aber es heißt, daß du bleibst. Vielleicht ein anderes Mal.«
    »Gewiß – Und Hartford, mein Beileid zum Tode deines Vaters.«
    »Meines Vaters?« Hartfords Stimme hörte sich überrascht an. »Das ist Jahre her.«
    »Trotzdem, es tut mir leid.«
    Pete legte auf. Es tat ihm wirklich leid. Basil Ganz war sein Gott gewesen, furchteinflößend, aus der Ferne verehrt. Eine lederige Gestalt, unrasiert, piratenhaft. Es hieß, mit dem Aufkommen der Hummerzucht sei er zum Millionär geworden. Aber zu Petes Zeiten hatte er mit seinem mickrigen, unwürdigen Sohn im elendesten Haus an der Ferry Lane gewohnt. Und nun war er seit Jahren tot.
    Es traf zu, daß Pete müde war. Aber nicht von der vierstündigen Fahrt. Er war der Party ausgewichen, weil er Grace ausgewichen war. Weil ihm im Augenblick nicht einmal der Anschein spontaner Menschlichkeit möglich war. Nur Analyse, Weisheit und kühler Edelmut.
    Bald darauf kehrte seine Mutter vom Hummerpicknick zurück. »Wo ist jeder?« rief sie von unten herauf.
    Als niemand antwortete, hörte er sie weitergehen. Eine Minute später drangen die gedämpften Geräusche von Fernsehstimmen und Musik herauf. Er wälzte sich vom Bett und ging hinunter zu ihr.
    »Da bist du ja, Junge. Ach, meine armen Füße … Dann hast du Scudder gefunden?«
    Nicht zu ihrem Vergnügen, nein.
    »Hartford hat angerufen. Lud mich zu einer Party ein. Ich habe abgesagt.«
    »Du hättest gehen sollen.«
    »Es ist mein erster Abend. Ich wollte mit euch zu Hause bleiben.«
    Maudie Laznett saß in der genauen Mitte eines Polsters auf einem langen niedrigen Sofa, die Knie beisammen, die Hände im Schoß gefaltet. Das Fernsehen zeigte Huppeltagsfeiern in einem kleinen Gebirgsdorf.
    »Du wirst dich eingewöhnen«, sagte seine Mutter. »Wir sind nichts Besonderes.« Sie beugte sich vor, um eine Ansammlung von Kristalldosen und Vasen auf dem Kaffeetisch zu arrangieren. »Habe ich dir schon von Dr. Besserman erzählt? Er kommt Donnerstagnachmittag.«
    »Besserman? Ich glaube, du erwähntest einmal etwas von …«
    »Er ist mein Kopfdoktor. Ich möchte gern, daß du ihn kennenlernst.«
    Jetzt erinnerte er sich. Und erinnerte sich auch, daß er überlegt hatte, warum in aller Welt ausgerechnet sie einen Kopfdoktor brauchen sollte.
    Also sagte er in scherzhaftem Ton: »Du meine Güte, Mutter, wozu in aller Welt solltest ausgerechnet du einen Kopfdoktor brauchen?«
    »Brauchen? Wer sagte etwas von brauchen?« Sie setzte sich wieder zurück, legte die Hände in den Schoß. »Dr. Besserman ist verrückt wie ein Eichhörnchen. Er heitert mich auf.«
    Auf dem Bildschirm hatte die Szene gewechselt: Huppeltagsfeiern in einer Wüstenoase. Und das Seltsame war, als er sie jetzt von Angesicht zu Angesicht sah, daß da eine Munterkeit zu sein schien, eine entspannte Leichtigkeit, an die er sich aus seiner Kindheit nicht erinnerte. Jedenfalls hatte er sie in der farblos-gezwungenen, stumm vorwurfsvollen Frau der Video-Einblendungen

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