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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sagte, Dr. Besserman käme gewöhnlich um halb drei. Eine Stunde pflege er mit ihr zu verbringen, worauf er seinen Spaziergang hinunter zum Strand mache, denn Dr. Besserman bleibe immer zum Abendessen.
    Pete vereinbarte mit seinem Koordinator, daß sie pünktlich um halb vier Schluß machten, denn um diese Zeit sollte Dr. Besserman mit seiner Patientin fertig sein. Und außerdem, wenn er Dr. Besserman unter vier Augen sprechen wollte, was der Fall war, mochte ein verdammter Spaziergang zum Strand genau das Richtige sein. Maudie ging niemals den Weg zu den Felsen hinunter. Sie traute ihnen nicht.
    Pete verbrachte seinen Nachmittag mit dem Markt für Heimtextilien und meldete sich wie geplant eine Stunde früher als sonst ab. Seine Spieler würden kaum darunter leiden – der August war in dieser Branche sowieso eine ruhige Zeit. Er hatte gehört, wie Dr. Besserman pünktlich eingetroffen war, den Mann aber nicht gesehen: Scudders Werkstattfenster lagen auf der anderen Seite, aber er hatte einen Wagen gehört, und Stimmengemurmel, darunter die Stimme eines Mannes, und schließlich das entfernte Geräusch einer zufallenden Tür. Nun, eine Stunde später, durfte er hoffen, daß die Konsultation beendet sein würde.
    Er ging hinunter. Im Haus war es still. Er runzelte die Stirn – vielleicht hatte er zu lange gearbeitet, vielleicht war Dr. Besserman bereits zu seinem Spaziergang aufgebrochen. Er ging in die Küche, erwartete dort seine Mutter zu finden, aber sie war nicht da. So ging er hinaus auf die Veranda, die der seewärtigen Front des Hauses vorgelagert war. Sähe er Dr. Besserman irgendwo unten am Strand, so ließe sich vielleicht eine zufällig wirkende Begegnung arrangieren.
    Er ging die Veranda entlang. Eine Bewegung hinter einem Fenster zu seiner Rechten zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er blieb stehen. In dem grünen italienischen Wohnzimmer war der Fernseher eingeschaltet. Maudie war dort, und ein Mann, vermutlich Dr. Besserman. Aber weder sie noch er verfolgte das Geschehen auf dem Bildschirm: Maudie lag auf dem Sofa, und Dr. Besserman, mit bloßem Hintern, lag auf ihr und pumpte, was das Zeug hielt. Pete konnte das Gesicht seiner Mutter sehr deutlich sehen. Alle Spannungslinien waren daraus verschwunden, und ihr Lächeln war weder knapp noch grau. Im Weitergehen dachte er ruhig, daß er nie zuvor einen so glücklichen Ausdruck in ihren Zügen gesehen hatte. Und das, obwohl er mit seinem flüchtigen, aber völlig verstehenden Blick keinen Huppelsender irgendwo in der Nähe gesehen hatte – aber das war auch wenig wahrscheinlich: seine Mutter hätte die Implantation niemals akzeptiert. Also Freistoß für den ununterstützten Dr. Besserman.
    Außer Sichtweite des Fensters blieb er stehen. Abrupt, wie vor einem unwiderstehlichen Sturmwind der Rechtschaffenheit, verflog seine Gelassenheit, und statt ihrer verspürte er ein unbändiges Verlangen zurückzugehen, das Fenster einzuschlagen, hineinzuspringen und dem nacktarschigen Dr. Besserman eins zwischen die Augen zu geben – oder, besser noch, seine Mutter zu versohlen, die vermutlich auch nacktarschig war, denn in Wirklichkeit war sie es, deren Benehmen ihn anwiderte. Nicht, so sagte er sich, wegen ihrer durchaus verständlichen fleischlichen Gelüste, sondern wegen ihrer Lügen. Meistens hört er bloß zu …Er ist verrückt wie ein Eichhörnchen … Aber ich mag Leute, die zuhören … Das konnte er ihr nicht vergeben: wer hörte in diesem grünen italienischen Wohnzimmer zu, in Gottes Namen? Gewiß, wenn er sich bemühte, konnte er die Situation auch komisch finden. Er konnte sie sogar mitleiderregend finden. Aber ihre Lügen machten es zu einer widerwärtigen Geschmacklosigkeit.
    Gleichwohl ging er nicht zurück und schlug auch nicht das Fenster ein. Statt dessen erforschte er seinen Abscheu. Schließlich hatte er nichts gegen Geschlechtsverkehr, und welche eigenen sittlichen Anstrengungen gaben ihm das Recht, ihr ehebrecherisches Tun zu verdammen? Außerdem waren Lügen darüber von jemandem wie seiner Mutter nur zu erwarten. Also versuchte er seinen ruhigen Gleichmut wiederzubeleben, so gut er konnte, und ging weiter. Am Ende der Veranda angelangt, lehnte er eine Weile am Geländer. Er befand, daß es in Wahrheit nicht die Lüge seiner Mutter gewesen war, die ihn aufgebracht hatten, sondern vielmehr der einfache Umstand, daß sie als seine Mutter mit fleischlichen Gelüsten behaftet war, und daß seine Reaktion von Zorn und Abscheu unberechtigt war.

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