Scudders Spiel
klüger als sie alle miteinander: Scudder ist es, zu dem zu willst, hatte sie gesagt. Sein Vater hatte es nicht gewußt, und er selbst hatte es vergessen. Aber an diesem Nachmittag, als er noch immer zu Scudder gewollt hatte, war ihm statt dessen Pater Besserman zuteil geworden, für fünfzig Dollar, rückzahlbar.
Aber selbst seine Mutter konnte einen Schwindler nicht erkennen, wenn sie ihn sah. Dr. Besserman war ein Blender, ein Manipulator, nichts weiter. Er hatte sie seit Monaten getäuscht, und heute nachmittag hatte er auch Pete getäuscht. All dieser pseudopsychiatrische Unsinn – wenn Pete seine eigene Einstellung zu Scudders mitleiderregender kleiner Verschwörung nicht in Erwägung gezogen hatte, dann war das nur deshalb geschehen, weil seine eigene Einstellung völlig irrelevant war. Auch Respekt war weder hier noch dort. Alles, was wirklich zählte, waren offizielle Einstellungen, und ob und wie er seinen Vater vor ihnen schützen sollte. Und wenn Maudie einen Schwindler nicht erkennen konnte, wenn sie ihn sah, dann sollte sie aufgeklärt werden und Scudder desgleichen. Er war es ihnen beiden schuldig.
In diesem Augenblick kam Maudie strahlend und mit glänzenden Augen vom Abschiednehmen zurück und ließ sich auf das Sofa gegenüber dem Fernseher plumpsen, ohne – und das zum zweiten Mal an diesem Tag – auch nur im geringsten auf die Kissen und Polster achtzugeben. Und Scudder, sein Vater, der einzige Vater, den er hatte und wollte, setzte sich freundlich neben sie.
Ein Schwindler? Pete setzte sich seinen Eltern gegenüber, beobachtete sie: Dr. Besserman hatte ihnen einen schönen Tag beschert. Er hatte nichts genommen, einen Orgasmus, den er kaum gefühlt hatte, eine Gebühr, die er nicht brauchte, und er hatte alles gegeben, was er hatte. Petes Entrüstung über ihn war rein persönlich: Gönnerschaft sein persönliches Problem, Überlegenheit sein persönliches Problem, und Respekt auch, möglicherweise das persönlichste seiner Probleme.
Mit seiner Mutter konnte er umgehen. Ihr Geheimnis, wenn es eins war, war bei ihm gut aufgehoben – sie hatte ihn früher schon um Gefälligkeiten gebeten, und er hatte sie gern erwiesen. So zu tun, als hätte er niemals den hüpfenden nackten Hintern dieses Dr. Besserman gesehen, würde nur eine weitere Gefälligkeit sein. Für sie war es wahrscheinlich keine bloße Gefälligkeit gewesen, wenn ihr Verhalten einen brauchbaren Hinweis bot. Er heitert mich auf. Offenbar tat er es wirklich.
Scudder war anders. Wenn er nichts von seiner Frau und ihrem Verhältnis mit Dr. Besserman wußte, dann deshalb, weil er es nicht wissen wollte. Scudder hatte nicht nach etwas gefragt, und er war zu stolz und zu eigensinnig, um jetzt damit anzufangen. Die Verschwörung aber war das Wichtigste in seinem Leben, und wenn sein Sohn davon wußte und nichts tat, sie nicht einmal erwähnte, war das dann nicht die schlimmste Beleidigung, die sein Sohn ihm zufügen konnte? Stellte das nicht seine Würde, seine Integrität, sogar seine geistige Gesundheit in Frage? Würde, Integrität, geistige Gesundheit … das waren große Worte. Aber Dr. Besserman hatte Pete doch nicht getäuscht – sie waren sein Problem, nicht Scudders. Scudder hatte sie, alle drei, im Überfluß.
Pete entschuldigte sich. Ihm war zumute, als ob sein Gehirn durch einen Fleischwolf gedreht würde. Mittlerweile verfolgte Scudder das Fernsehprogramm, was ihn jedoch nicht daran hinderte, über die Schultern zu bemerken, daß die Anstrengungen der letzten Nächte ihm offenbar den Entschluß erleichtert hätten, ausnahmsweise frühzeitig und allein zu Bett zu gehen. Maudie lächelte und sah fern.
Pete ging hinauf zu seinem Zimmer. Er zog sich nicht aus, sondern lehnte sich gegen die Draperien am Kopfende, die Füße auf der zurückgeschlagenen rotseidenen Tagesdecke. Sein Problem? Mein Gott, wie langweilig es klingen mußte. Er kam sich selbst langweilig vor. Wenn es sein Problem sein sollte, so beschloß er, dann in Gottes Namen. Seine Schultern waren breit genug. Es war sein Problem, und dabei sollte es bleiben. Nicht ein Wort würde er sagen, nicht zu seinem Vater, nicht zu irgendeiner anderen lebenden Seele.
Ein wenig erleichtert, kleidete er sich rasch aus, ging ins Bad, putzte sich die Zähne und benutzte die Toilette. Mit dem Entschluß, den Rest der Woche durchzustehen und mit seinem Vater Spiele zu spielen, stieg er ins Bett. Spiele waren sein Job. Er schätzte sie und war gut darin. Und seine Schultern
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