SdG 04 - Die eisige Zeit
die Lederriemen und Knoten waren armselige Hindernisse für Schartekes scharfen Schnabel. Binnen weniger Augenblicke war sie im Innern des Zelts, hüpfte still und ungesehen unter den großen Tisch – einen Tisch, den sie mit einem stummen Glucksen erkannte –, und in die Dunkelheit zwischen ein paar zusammengelegten Bettgestellen.
Vier Gestalten beugten sich flüsternd und murmelnd über den Tisch über ihr. Das gedämpfte Klappern hölzerner Karten drang an Schartekes Ohr, und sie reckte den Kopf.
»Da ist sie wieder«, sagte eine raue Frauenstimme.
»Bist du sicher, dass du die verdammten Karten gemischt hast, Spindel?«
»Wollt ihr wohl – natürlich habe ich sie gemischt, Korporal. Hör endlich auf, mich zu fragen. Schaut her, das ist jetzt das vierte Mal, und jedes Mal waren die Felder anders ausgelegt; es ist ganz einfach. Der Obelisk dominiert – der Dolmen der Zeit ist das Zentrum. Er ist aktiv, so klar und deutlich wie der helle Tag – zum ersten Mal seit Jahrzehnten …«
»Das könnte immer noch diese widrige Asymmetrie sein«, warf eine andere Stimme ein. »Du hast eben nicht Fiedlers natürliche Begabung, Spindel – «
»Das reicht jetzt, Igel«, schnappte die erste Stimme. »Spindel hat oft genug die Drachenkarten gelesen, um zu wissen, was er tut.«
»Hast du nicht gerade eben – «
»Halt die Klappe.«
»Außerdem habe ich euch schon gesagt« murmelte Spindel, »dass die neue Karte einen festgelegten Einfluss hat – sie ist der Leim, der alles zusammenhält, und wenn ihr das erst einmal begriffen habt, dann ergibt das auch alles einen Sinn.«
»Sie ist der Leim, hast du gesagt«, erklang die vierte Stimme – ebenfalls die einer Frau, und sie klang nachdenklich. »Glaubst du, sie steht mit einem neuen Aufgestiegenen in Verbindung?«
»Das ist mir zu hoch, Blend«, seufzte Spindel. »Ich habe gesagt, dass sie einen festgelegten Einfluss hat, aber ich habe nicht gesagt, dass ich den Aspekt dieses Einflusses kenne. Ich weiß es nicht, und das liegt nicht daran, dass ich nicht gut genug bin. Es ist eher so, als ob er noch nicht … aufgewacht wäre. Im Augenblick ist es eine passive Präsenz. Nichts weiter. Wenn er aufwacht … nun, ich vermute mal, dass es dann ganz schön rund gehen wird.«
»Also«, ertönte wieder die Stimme der Frau, die mit Korporal angesprochen worden war, »was haben wir hier, Magier?«
»Das Gleiche wie vorhin. Der Soldat des Hohen Hauses Tod rechts vom Obelisken. Der Magier des Schattens ist hier – das ist für den auch das erste Mal –, ich nehme an, dass da ein großes Täuschungsmanöver läuft. Der Hauptmann des Hohen Hauses Licht sorgt für ein bisschen Hoffnung, aber auf ihn fällt der Schatten des Herolds des Vermummten – allerdings nicht direkt, ich glaube, es liegt eine gewisse Entfernung dazwischen. Der Assassine des Hohen Hauses Schatten scheint ein neues Gesicht bekommen zu haben, ich bekomme erste Hinweise … ist irgendwie vertraut, das Gesicht.«
Der Mann namens Igel grunzte. »Wir sollten das dem Schnellen Ben zeigen – «
»Verdammt, das ist es!«, zischte Spindel. »Das Gesicht des Assassinen – das ist Kalam!«
»Dieser Bastard!«, sagte Igel grollend. »Ich hatte mir schon so was gedacht – als er und Fiedler damals davongepaddelt sind – ihr wisst, was das bedeutet, oder?«
»Wir können es erraten.« Das war wieder die Frau, die Korporal genannt worden war. Ihre Stimme klang unglücklich. »Aber das andere ist klar, Spindel, oder?«
»Ja, Das Reich der Sieben Städte steht kurz vor einem Aufstand – vielleicht hat er auch schon angefangen. Der Wirbelwind … der Vermummte lächelt bestimmt schon. Und zwar ganz schön grimmig.«
»Ich muss dem Schnellen Ben ein paar Fragen stellen«, murmelte Igel. »Oh ja, das muss ich.«
»Du solltest ihn auch nach der neuen Karte fragen«, meinte Spindel. »Er kann ja mal einen Blick darauf werfen, wenn es ihm nichts ausmacht, unter den Tisch zu kriechen.«
»Klar …«
Eine neue Karte in den Drachenkarten? Scharteke reckte den Kopf noch ein bisschen höher und dachte fieberhaft nach. Neue Karten – und besonders solche mit Macht – bedeuteten Ärger. Das Haus des Schattens war der beste Beweis dafür … Schartekes Augen – erst das eine, dann, als sie den Kopf noch weiter reckte, auch das andere – hefteten sich langsam auf etwas, ihr Geist kehrte aus der Sphäre abstrakten Denkens zurück und richtete sich schließlich auf die Unterseite des Tischs.
Wo sie in ein paar
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