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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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würde ich, Lord von Mondbrut.«
    »Also fällt uns fühlenden Wesen – egal, wie unwürdig wir auch sein mögen – die Aufgabe zu, die moralische Trennlinie zu ziehen.«
    Ihre Augen blitzten auf. »Tatsächlich?«
    »Sie hat die Abscheulichkeit hervorgebracht, Rake«, sagte Kallor, während er näher trat. Sein Gesicht war verzerrt vor Zorn, als er der Mhybe einen finsteren Blick zuwarf. »Ihre Sicht der Dinge ist befleckt. Das ist zugegebenermaßen verständlich, aber auch das wäscht sie nicht rein.«
    »Kallor«, murmelte der Sohn der Dunkelheit, während er immer noch die Mhybe anblickte. »Wenn du noch näher kommst, tust du das auf eigene Gefahr.«
    Der Hochkönig blieb stehen.
    »Es hat den Anschein«, fuhr Rake fort, »als hättet ihr alle meine Ankunft ersehnt, als hättet ihr den Wunsch, dass ich in einer Sache, die ganz eindeutig kompliziert ist, ein Urteil fälle – «
    »Der Schein kann trügen«, ließ sich Caladan Bruths Stimme vom Kommandozelt her vernehmen – und jetzt konnte die Mhybe sehen, dass Silberfuchs an der Seite des Kriegsherrn stand. »Entscheide, was du willst Rake, aber ich werde es nicht gutheißen, wenn du Dragnipur in meinem Lager blank ziehst.«
    Einen Augenblick lang herrschte Stille, die explosivste Stille, die die Rhivi jemals erlebt hatte. Beim Abgrund, das könnte wirklich völlig daneben gehen … Sie warf einen Blick zu den Malazanern hinüber. Dujek hatte die ausdruckslose Maske eines Soldaten aufgesetzt, doch seine angespannte Haltung verriet Unruhe. Der Standarten-Träger Arthantos stand einen Schritt hinter und etwas rechts von Einarm; er hatte sich den Regenumhang eines Seesoldaten umgehängt, der seine Hände verbarg. Die Augen des jungen Mannes glitzerten. Ist das Macht, die da um ihn herumwirbelt? Nein, ich muss mich täuschen – jetzt ist nichts mehr zu sehen …
    Anomander Rake wandte sich langsam dem Kriegsherrn zu. »Wie ich sehe, sind die Fronten geklärt«, sagte er leise.
    »Korlat?«
    »In dieser Angelegenheit stehe ich auf Caladan Bruths Seite, Herr.«
    Rake warf Kallor einen Blick zu. »Es sieht so aus, als stündest du allein.«
    »So war es schon immer.«
    Oh, das war eine gerissene Antwort.
    Anomander Rakes Gesichtsausdruck wirkte plötzlich angespannt. »Diese Situation ist mir nicht fremd, Hochkönig.«
    Kallor nickte nur.
    Plötzlich war Hufgetrappel zu hören, und die Tiste Andii, die den südwestlichen Teil des Kreises bildeten, wichen zur Seite. Elster kam auf die Lichtung geritten, verlangsamte sein Pferd zum Schritt und hielt dann an. Es war nicht klar, was der Kommandant gehört hatte, doch er handelte trotzdem. Er stieg ab, ging zu Silberfuchs und blieb direkt vor ihr stehen. Sein Schwert glitt aus der Scheide. Elster blickte nacheinander Rake, Kallor und die anderen im Mittelpunkt der Lichtung an und rammte dann das Schwert vor sich in den Boden.
    Caladan Bruth trat an die Seite des Malazaners. »Angesichts dessen, was Euch gegenüberstehen könnte, Elster, solltet Ihr lieber – «
    »Ich stehe hier«, grollte der Kommandant.
    Magie erhob sich wallend von Anomander Rake, körnig grau rollte sie in einer langsamen Woge über die Lichtung, glitt mühelos durch Elster hindurch und verschlang Silberfuchs in einer undurchsichtigen, wirbelnden Umarmung.
    Die Mhybe schrie auf, machte einen Satz vorwärts, doch Korlat hielt sie am Arm fest. »Fürchte dich nicht«, sagte sie. »Er versucht nur, sie zu verstehen – versucht zu verstehen, was sie ist …«
    Die magische Woge zerfaserte plötzlich, wurde in kleinen Fetzen in alle Richtungen geschleudert. Die Mhybe zischte. Sie kannte ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie wütend war, als sie wieder zu erkennen war. Macht, die sich wie gespannte Taue wand, wuchs um sie in die Höhe, verknotet und verknäuelt.
    Oh ihr Geister hienieden, ich sehe beide, Nachtfrost und Flickenseel … und sie sind gleichermaßen wütend. Und – beim Abgrund – da ist noch ein anderer! Unerschütterliche Willenskraft, ein Empfindungsvermögen, das nicht leicht in Wallung zu bringen ist … er ist Bruth sehr ähnlich – aber wer ist es? Ist es – oh! –, ist es womöglich dieser Bellurdan? Oh ihr Götter! Wir sind kurz davor, uns gegenseitig an die Kehle zu gehen. Bitte …
    »Schön«, knurrte Rake gedehnt, »man hat mir noch nie zuvor in dieser Weise auf die Finger gehauen. Beeindruckend, allerdings auch gefährlich unverschämt. Aber was ist es, das ich nach dem Willen des Kindes nicht entdecken soll?«

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