SdG 05 - Der Tag des Sehers
Schnecke nicht!«, zischte Hetan.
»Ihr werdet erfreut sein zu erfahren, dass er während der drei Tage, die Ihr gelitten habt, auf einer anderen Barke war«, sagte Elster zu ihr, »und sich erholt hat.«
»Er hat diese hier nur verlassen, weil ich geschworen habe, ihn zu töten«, murmelte Hetan. »Es war nicht geplant, dass er Geschmack daran findet, der schleimige Wurm! Bei den Geistern hienieden, was für ein Appetit!«
Humbrall Taur lachte grollend. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal erleben würde, wie meine Tochter – «
»Oh, sei bloß still, Vater!«
Der riesige Barghast-Kriegshäuptling zwinkerte Elster zu. »Ich freue mich jetzt richtig darauf, diesen Mann aus Darujhistan kennen zu lernen.«
»Dann sollte ich Euch vorwarnen, dass das Äußere täuschen kann«, sagte Elster. »Besonders in Kruppes Fall.«
»Oh, ich habe ihn von weitem gesehen, hin und her geschleppt von meiner Tochter, zumindest am Anfang. Und dann, neuerdings, habe ich bemerkt, dass sich die Rollen vertauscht haben. Bemerkenswert. Hetan ist sehr stark die Tochter meiner Frau, versteht ihr.«
»Und wo ist Eure Frau?«
»In unseren Bergen, fast weit genug weg, um mich frei atmen zu lassen. Fast. Vielleicht, wenn wir Korall erreichen …«
Elster lächelte. Einmal mehr staunte er über die Geschenke der Freundschaft, die er in letzter Zeit erhalten hatte.
Das einst gezähmte Ufer des Maurik glitt gegenüber vorbei. Schilf wuchs um Stege und Anlegeplätze; alte Boote lagen verrottet und halb im Schlick begraben am Ufer. Um ein paar Fischerhütten weiter oben am Strand wucherte hohes Gras. Die Verlassenheit und alles, was sie bedeutete, verdüsterten seine Stimmung einen Moment lang.
»Selbst für mich«, grollte Humbrall Taur an seiner Seite, »ist das ein unwillkommener Anblick.«
Elster seufzte.
»Wir nähern uns der Stadt, ja?«
Der Malazaner nickte. »Vielleicht noch ein Tag.«
Hinter ihnen stöhnte Hetan zur Antwort.
»Könnt Ihr Euch vorstellen, dass Bruth Bescheid weiß?«
»Ich glaube schon, zumindest teilweise. Wir haben ein paar von Motts Irregulären unter den Stallburschen und Pferdeknechten …«
»Motts Irreguläre – wer oder was ist das, Kommandant?«
»Etwas, das ganz entfernt einer Söldnerkompanie ähnelt, Kriegshäuptling. Größtenteils Holzfäller und Bauern. Sie sind durch einen Zufall entstanden – tatsächlich sind wir Malazaner schuld daran. Wir hatten gerade die Stadt Oraz eingenommen und sind nach Westen marschiert, auf Mott zu – das sich prompt ergeben hat, mit Ausnahme der Einsiedler im Mottwald. Dujek wollte nicht, dass eine Gruppe von Abtrünnigen unsere Nachschublinien unsicher machte, während wir weiter ins Landesinnere vorstießen, also hat er die Brückenverbrenner in den Mottwald geschickt, damit wir sie zur Strecke bringen. Anderthalb Jahre später waren wir immer noch da. Die Irregulären sind im Kreis um uns herumgehuscht. Und die Male, wo sie sich entschlossen haben, sich zu stellen und zu kämpfen, war es, als hätte irgendein finsterer Sumpfgott von ihnen Besitz ergriffen – sie haben uns mehr als einmal eine blutige Nase verpasst. Und das Gleiche haben sie auch mit den Goldenen Moranth gemacht. Schließlich hat Dujek uns da rausgeholt, aber da hatte Bruth bereits mit Motts Irregulären Kontakt aufgenommen. Er hat sie seiner Armee einverleibt. Jedenfalls«, er zuckte die Schultern, »sind sie ein trügerischer Haufen, und sie kommen immer wieder, wie eine Wurmplage – mit der zu leben wir gelernt haben.«
»Also wisst Ihr, was Euer Feind über Euch weiß.« Humbrall Taur nickte.
»Mehr oder weniger.«
»Ihr Malazaner«, sagte der Barghast und schüttelte den Kopf, »spielt komplizierte Spiele.«
»Manchmal«, räumte Elster ein. »Aber manchmal sind wir auch ganz schlicht.«
»Eines Tages werden Eure Armeen in die Berge des Weißgesicht-Clans marschieren.«
»Das bezweifle ich.«
»Und warum?«, wollte Humbrall Taur wissen. »Sind wir Euch als Gegner nicht würdig genug, Kommandant?«
»Zu würdig, Kriegshäuptling. Nein, die Wahrheit ist die: Wir haben mit Euch verhandelt, und das malazanische Imperium nimmt solche Präzedenzfälle ernst. Man wird Euch mit Respekt begegnen und Euch anbieten, Handel zu treiben, Grenzen zu errichten und so weiter – wenn Ihr es wünschen solltet. Falls nicht, werden die Abgesandten wieder gehen, und das wird das Letzte sein, was Ihr jemals von den Malazanern sehen werdet, bis Ihr Euch anders entscheidet.«
»Ihr seid
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