SdG 05 - Der Tag des Sehers
regennassen Wald hinein ausbreiten. Rauch kräuselte sich über dem Pfad, trieb zwischen den umstehenden Stämmen hindurch. Geschwärzte Leichen lagen auf dem Pfad, Rüstungsteile, in allen Regenbogenfarben brüniert, Leder, das sich rollte und schälte, verbrannte Stiefel, die mit schrecklichen, zischenden Geräuschen aufplatzten.
Wenn der Vermummte eine spezielle Grube für seine verdorbensten Diener reserviert hat, dann gehören die Moranth, die diese Munition hergestellt haben, da hinein. Und wir, denn wir haben sie benutzt. Das hier war kein Kampf. Das war ein Gemetzel.
Fäustel glitt an Parans Seite. »Hauptmann! Moranth kommen über den Gräben herunter – Dujek ist angekommen, mit der ersten Welle. Unsere Verstärkung ist da, Hauptmann.«
Der Schnelle Ben strich mit einer Hand über die Zweigreihe vor ihm. »Gut. Wir werden sie brauchen.«
Ja, der Seher wird diese Schanze nicht kampflos aufgeben. »Ich danke dir, Heiler. Geh zur Hohefaust zurück, und sag Dujek, ich bin bald bei ihm.«
»Ja, Hauptmann.«
Kapitel Elf
Manche Gezeiten wechseln unbemerkt. Die Priester und Priesterinnen des Doppelkults von Togg und Fanderay hatten lange Zeit über kaum mehr als eine Hand voll Anhänger in ihren jeweiligen Tempeln geherrscht, und diese Tempel waren nur wenige, und sie lagen weit voneinander entfernt. Eine kurzlebige Ausbreitung des Kults überschwemmte in der Anfangszeit von Laseens Herrschaft die malazanischen Armeen, schien dann jedoch ohne äußere Einwirkung wieder zu verkümmern.
Im Rückblick könnte man diese Unruhe als nur leicht verfrüht interpretieren, da sie um weniger als eine Dekade die Wiedererweckung vorwegnahm, die diese Kulte wieder bekannt machen sollte. Der erste Beweis für diese Wiedererweckung trat am äußersten Rand der Grenzen des Imperiums [genau genommen, noch nicht einmal nahe, A.d.Ü.] in der erst vor kurzem befreiten Stadt Capustan auf, wo die Flut ihre Macht für alle sichtbar enthüllte …
Auferstehungskulte
Korum T’bal (übersetzt von Ulys von Darujhistan)
D
ie beiden maskierten Gestalten, alt und eingeschrumpft, humpelten langsam auf den niedrigen, breiten Eingang zum Tempel des Vermummten zu.
Coll hatte sich im Innenhof um die Pferde gekümmert; jetzt stand er schweigend im Schatten der Mauer und sah zu, wie die Gestalt, die ihm näher war – eine Frau – einen Gehstock hob und damit kräftig an die Tür klopfte.
Noch immer ertönten entfernte Trommeln, deuteten darauf hin, dass Fürst Arards Krönungszeremonie noch im vollen Gange war. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zeremonie unter der Leitung des Maskenrats stand, war Coll mehr als nur ein bisschen neugierig, zwei der Ratsmitglieder hier zu sehen, die ganz eindeutig vorhatten, diesem Tempel einen inoffiziellen, privaten Besuch abzustatten. Außerdem war er auch misstrauisch, denn er hatte gedacht, niemand wüsste, dass der Tempel des Vermummten wieder bewohnt war.
Er zuckte überrascht zusammen, als eine tiefe Stimme neben ihm sagte: »Was glaubt Ihr – was wird das hier nützen?«
Ein weiterer maskierter Priester stand neben dem Daru im Schatten, merkwürdig undeutlich, die Kapuze weit nach vorn gezogen, die behandschuhten Hände über einem Schmerbauch gefaltet – obwohl der Rest des Mannes dürr wie ein Stock zu sein schien.
»Wo seid Ihr so plötzlich hergekommen?«, zischte Coll; das Herz hämmerte wild in seiner Brust.
»Ich? Ich war schon vor Euch hier! Dies ist mein Schatten, Ihr Narr! Schaut die Fackel da drüben an – wir müssten hier eigentlich in ihrem Licht stehen. Sind alle Adligen von Darujhistan so dumm wie Ihr?«
Coll verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Na schön, Schattenpriester, Ihr habt spioniert – was habt Ihr gesucht? Welche Staatsgeheimnisse habt Ihr erfahren, als Ihr mir dabei zugeschaut habt, wie ich mich um die Pferde gekümmert habe?«
»Nur, dass sie Euch hassen, Daru. Jedes Mal, wenn Ihr ihnen den Rücken zugekehrt habt, wollten sie Euch zwicken – nur seid Ihr anscheinend immer genau im richtigen Moment ein Stück zur Seite getreten – «
»Ja, das habe ich getan, denn ich habe jedes Mal gewusst, was sie vorhatten.«
»Höre ich da Stolz aus Euren Worten? Dass Ihr klüger seid als zwei Pferde?«
»Noch so eine Bemerkung, und ich werfe Euch über diese Mauer, Priester.«
»Das würdet Ihr nicht wagen – oh, schon gut, Ihr würdet es wagen. Kommt nicht näher. Ich werde mich benehmen, ich verspreche es.«
Beide drehten sich um, als sie
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