SdG 05 - Der Tag des Sehers
zitterten, als er mit seinen dicklichen, weichen Fingern an der Schließe herumfummelte. Der schwarze Lederumhang fiel zu Boden. Er begann, auf ihm herumzutrampeln, um die letzten glimmenden Stellen auszutreten.
Bauchelain, der sich den Staub von den Armen wischte, warf Buke einen Blick zu. »Wie geduldig von dir, auf unsere Rückkehr zu warten.«
Buke schaffte es gerade noch, sich ein Lächeln zu verkneifen; stattdessen zuckte er die Schultern. »Ihr habt ihn nicht erwischt. Was ist passiert?«
»Es scheint«, murmelte der Nekromant, »als müssten wir unbedingt unsere Taktik verfeinern.«
Der Anflug von Selbsterhaltungstrieb verflog, und Buke lachte leise.
Bauchelain erstarrte. Eine Augenbraue hob sich. Dann seufzte er. »Nun, gut. Auch dir einen schönen Tag, Buke.«
Buke schaute ihm nach, als er ins Hauptgebäude ging.
Korbal Broach trampelte auch dann noch auf seinem Umhang herum, als die letzten glimmenden Fleckchen schon lange erloschen waren.
Kapitel Zwei
In meinen Träumen begegne ich von Angesicht zu Angesicht unzähligen Spiegelbildern meiner selbst,
alle unbekannt und seltsam flüchtig.
Sie sprechen pausenlos
in einer Sprache, die nicht die meine ist,
und wandeln mit Gefährten,
denen ich nie begegnet bin, an Orten,
zu denen ich meine Schritte noch nie gelenkt habe.
In meinen Träumen durchwandere ich Welten,
wo Wälder sich um meine Knie drängen
und die Hälfte des Himmels aus einer Mauer aus Eis besteht.
Schwärzlich braune Herden fließen wie Schlamm dahin,
gewaltige Ströme, hauerbewehrt und gehörnt,
brausen über die Ebene,
und siehe, sie sind meine Erinnerungen,
die Wanderungen meiner Seele.
In der Zeit vor der Nacht
D’arayans von den Rhivi
E
lster hob sich im Sattel, als sein Pferd über die schmale Kante eines Felsbrockens am Rande der ausgedehnten Hügelkuppe sprang. Hufe donnerten, als das Tier weitergaloppierte und das flache Tafelland durchquerte, dann wieder langsamer wurde, als der Malazaner die Zügel anzog und sich im Sattel zurücklehnte. In langsamerem Galopp näherte er sich der gegenüberliegenden Seite der Kuppe, hielt dann an ihrem Rand an.
Ein unebener Hang voller Felsbrocken führte hinab in ein breites, trockenes Flussbett. An seinem Fuß saßen zwei Kundschafter der Zweiten Armee mit dem Rücken zu Elster auf ihren Pferden. Vor ihnen bewegten sich ein Dutzend Rhivi zu Fuß durch etwas, das wie ein mit Knochen übersätes Feld aussah.
Mit sehr großen Knochen übersät.
Elster schnalzte mit der Zunge und setzte sein Pferd wieder in Bewegung, lenkte es langsam den alten Erdrutsch hinab. Dabei ließ er die Knochen nicht aus den Augen. Gewaltige eiserne Klingen glitzerten zwischen ihnen, ebenso wie zerdrückte, merkwürdig geformte Rüstungen und Helme.
Er sah lange, reptilienartige Kiefer, Reihen zackiger Zähne. An einigen zerschmetterten Skeletten hingen noch ein paar Reste grauer Haut.
Elster ließ die Geröllhalde hinter sich und ritt zu dem nächsten Kundschafter hinüber.
Der Mann salutierte. »Kommandant. Die Rhivi quasseln pausenlos – ich krieg nicht so richtig mit, wovon sie eigentlich reden. Sieht aus, als wären hier zehn von diesen Dämonen gewesen. Was immer über sie hergefallen ist, muss ziemlich übel gewesen sein. Vielleicht haben die Rhivi mehr herausgefunden; schließlich krabbeln sie zwischen den Leichen herum.«
Mit einem Nicken stieg Elster ab. »Haltet die Augen offen«, sagte er, obwohl er wusste, dass die Kundschafter genau das taten, doch er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Von dem Kampfplatz ging etwas Grauenvolles aus, alt und doch neu, und außerdem – was noch erschreckender war – hing diese eigentümliche Spannung in der Luft, die immer direkt einer Schlacht folgte. Dicke Stille:, die herumwirbelt, als hätte sie sich trotz all der Laute der Gewalt noch nicht setzen können, als zittere sie irgendwie immer noch, erschauere immer noch …
Er näherte sich den Rhivi und den verstreuten Knochen.
Die Kundschafter der Stammeskrieger waren tatsächlich am Quasseln.
»Tote Wölfe …«
»Doppelte Spuren, die Eindrücke schwer und doch leicht, breiter als meine Hand. Groß.«
»Große tote Wölfe.«
»Kein Blut, oder? Der Geruch nach Hügelgräbern.«
»Schwarzer Steinstaub. Scharf.«
»Es glitzert unter den Unterarmen – die Haut …«
»Stücke aus schwarzem Glas.«
»Obsidian. Tief im Süden …«
»Südwesten. Oder ganz im Norden, jenseits des Laederon-Plateaus.«
»Nein, ich
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