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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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oben zu fliehen versuchte - doch stattdessen von dem Netz aus Zauberei gefangen wurde; gefangen und dann in das Ei in der Hand des Sehers gezogen wurde.
    Das Kreischen der Matrone verstummte schlagartig. Die Kreatur sackte mit einem sinnlosen Winseln zurück.
    In der betäubenden Stille im Innern der Höhle konnte Toc die Kampfgeräusche im angrenzenden Korridor jetzt viel deutlicher hören. Sie waren nah, kamen näher.
    Der Seher, der seinen Finnest umklammerte, wirbelte herum und blickte auf Toc herab. Das Lächeln des Jaghut ließ die vertrockneten Lippen des Kadavers aufspringen. »Wir werden zurückkehren«, flüsterte er.
    Zauberei erblühte einmal mehr, und dann kam die Dunkelheit zurück, während schwere Ketten leer zu Boden fielen.
    Und Toc wusste, dass er nun allein in der Höhle war. Der Seher hatte sich Mutters Macht genommen, und dann hatte er sie mitgenommen.
    Der Wolf warf sich in seiner Brust hin und her, schleuderte Dornen aus Schmerz in seine gebrochenen, missgestalteten Glieder. Er sehnte sich danach, sein Geheul anzustimmen, den Ruf nach seiner Liebsten und seinen Artgenossen. Doch er konnte nicht Luft holen
    - kann nicht Luft holen. Er stirbt. Der Hagel, diese grausamen Geschenke, das alles bedeutet nichts. Denn wenn ich sterbe – ich, auf den diese unheilvolle Wahl der Götter gefallen ist –, dann sterben wir beide -
    Die Kampfgeräusche hatten aufgehört. Toc hörte eiserne Riegel schnappen, einen nach dem anderen, hörte ein metallisches Klirren auf den Steinfliesen.
    Dann kauerte sich jemand neben ihn. Eine Hand, die kaum mehr als blanke Knochen und Sehnen war, legte sich auf seine Stirn.
    Der Malazaner konnte nichts sehen. Es gab kein Licht. Doch die Hand war kühl, ihr Gewicht angenehm.
    »Vermummter? Dann bist du also gekommen, um uns abzuholen?« Die Worte bildeten sich vollkommen klar in seinem Verstand, doch sie waren völlig unverständlich, als er sie auszusprechen versuchte – und er stellte fest, dass er keine Zunge mehr besaß.
    »Ach, mein Freund«, erwiderte die Gestalt krächzend. »Ich bin es, Onos T’oolan, einst vom Tarad-Clan, von den Logros T’lan Imass, jetzt jedoch Verwandter von Aral Fayle … von Toc dem Jüngeren.«
    Verwandter.
    Verwelkte Arme hoben ihn auf.
    »Wir gehen jetzt, kleiner Bruder.«
    Wir gehen?
     
    Tippa beäugte die Bresche. Die gespielte Tapferkeit, die hinter ihrer Erklärung gesteckt hatte, dass sie dem T’lan Imass in die Festung folgen würden, hatte eine plötzliche Rückkehr der Vorsicht nicht überlebt, als sie in Sichtweite der Festung kamen. Sie wurde angegriffen, und welcher Feind auch immer dort hineingestürmt war, er hatte kräftig gegen das Hornissennest getreten.
    K’Chain Che’Malle donnerten zurück durch das Tor zum Innenhof. Magische Detonationen erschütterten das ganze Bauwerk. Urdomen und Bekliten rannten auf den Mauern entlang. Sich drehende Spiralen aus grauen Lichtblitzen wanden sich vom Süddach himmelwärts, verbanden die knapp zwei Dutzend Kondore, die über ihren Köpfen kreisten, miteinander. Jenseits von ihnen drohte eine gewaltige Sturmwolke, die den Platz über dem Hafen ausfüllte und in deren wogenden Tiefen Blitze zuckten.
    Leutnant Tippa warf einen Blick nach hinten, auf ihren armseligen Trupp. Sie hatten die drei schwer verwundeten Soldaten verloren, genau wie sie vermutet hatte. Nicht einer der Brückenverbrenner, die auf der von Rauchschwaden geschwängerten Straße kauerten, war unversehrt davongekommen – sie sah viel zu viel Blut auf den rußverschmierten Uniformen hinter ihr.
    Im Nordwesten dauerten die Kampfgeräusche an, kamen jedoch nicht näher. Tippa wusste, dass Dujek versucht hätte, unter allen Umständen die Festung zu erreichen. Doch nach den Geräuschen zu urteilen, wurde er Straße um Straße zurückgedrängt.
    Der Eröffnungszug war gescheitert.
    So dass wir jetzt auf uns allein gestellt sind.
    »K’Chain Che’Malle!«, zischte ein Soldat von ganz hinten. »Nähern sich von hinten!«
    »Nun, damit wäre es dann entschieden«, murmelte Tippa. »Im Eilschritt zu Igels Bresche!«
    Die Brückenverbrenner rannten über die schuttübersäte Straße.
    Blend war die Erste, die über die Trümmerstücke am Fuß des Turms kletterte. Direkt dahinter stand ein zerstörtes Gebäude – drei Wände und die Hälfte des Dachs waren noch übrig. Im Innern herrschte staubige Dunkelheit, und vielleicht befand sich so etwas wie eine Tür ziemlich weit links in der hinteren Mauer.
    Zwei Schritte hinter

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