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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Gedanken reiten auf Nadeln aus Schmerz, und das kann nicht gut sein. Das kann ganz und gar nicht gut sein.
    Stiefel knirschten neben ihr, als jemand an den Rand des Daches trat. Sie blickte auf und sah die rothaarige Frau, die Fäustel zurückgeholt hatte, obwohl sie schon so gut wie tot gewesen war. Ein Rapier, dessen Klinge zu einem Drittel abgebrochen war, lag in ihrer rechten Hand. Ihre lederne Rüstung hing in Fetzen, geronnenes Blut klebte in unzähligen Rissen. In ihrer Miene lag eine gewisse Zerbrechlichkeit, aber auch so etwas wie … Verwunderung.
    Tippa richtete sich auf. Die Schreie von unten waren ohrenbetäubend. Sie trat etwas näher an die Frau heran und sagte: »Es wird nicht mehr lange dauern. Man kann schon die vordersten Reihen der Barghast sehen.« Sie deutete in die entsprechende Richtung.
    Die Frau nickte, dann sagte sie: »Ich heiße Stonny Menackis.«
    »Korporal Tippa.«
    »Ich habe mit Blend gesprochen.«
    »So eine Überraschung. Sie ist eigentlich nicht der geschwätzige Typ.«
    »Sie hat mir von den Armreifen erzählt.«
    »Wirklich? Ach.«
    Stonny zuckte die Schultern, zögerte einen Augenblick und fragte dann: »Habt Ihr … habt Ihr Euch Trake verschworen, oder so etwas? Eine Menge Soldaten tun das, habe ich gehört. Der Tiger des Sommers, Lord der Schlachten – «
    »Nein«, knurrte Tippa. »Habe ich nicht. Ich hab selbst erst vor kurzem begriffen, dass sie Talismane waren – diese Armreifen.«
    »Dann habt Ihr also nicht gewusst, dass Ihr auserwählt worden wart, sie zu überbringen. Sie … Grantl zu überbringen …«
    Korporal Tippa warf der Frau einen Blick zu. »Das hat Euch irgendwie durcheinander gebracht, was? Euer Freund Grantl. Ihr hättet Euch nie vorstellen können, dass aus ihm … so etwas wie das da werden könnte, was auch immer das jetzt ist.«
    Stonny zog eine Grimasse. »Um ehrlich zu sein, ich hätte es mir bei jedem anderen eher vorstellen können als bei ihm. Der Kerl ist ein zynischer Bastard, und er betrinkt sich andauernd. Oh, er ist schlau, soweit Männer schlau sein können. Aber wenn ich ihn mir jetzt anschaue …«
    »Dann erkennt Ihr nicht wieder, was Ihr seht.«
    »Es sind nicht nur diese merkwürdigen Streifen. Es sind seine Augen. Das sind Katzenaugen … die Augen eines verdammten Tigers. Genauso kalt, genauso unmenschlich.«
    »Er sagt, er hat für Euch gekämpft, Schätzchen.«
    »Ihr meint, das war seine Ausrede.«
    »Ich würde nicht behaupten, dass es da einen Unterschied gibt.«
    »Aber da gibt es einen, Korporal.«
    »Wenn Ihr es sagt. Sei’s drum, die Wahrheit ist hier, genau vor Eurer Nase. In diesem verdammten Totenhaus von einem Gebäude. Der Vermummte soll uns holen, auch in Grantls Gefolgsleuten – er ist schließlich nicht der Einzige, der jetzt gestreift ist, oder? Der Mann hat zwischen den Pannioniern und Euch gestanden, und das war etwas, das groß genug war, um all die anderen da mit reinzuziehen. Hat Treach das alles geplant? Das könnte ich mir schon vorstellen, und ich habe dabei wohl auch eine Rolle gespielt, indem ich mit diesen Reifen am Arm hier aufgetaucht bin. Aber jetzt bin ich aus der ganzen Sache raus, und das ist mir sehr recht.« Und ich werde nicht mehr darüber nachdenken.
    Stonny schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht vor Trake das Knie beugen. Beim Abgrund, ich habe vor dem Altar eines anderen Gottes gekniet – ich habe meine Wahl getroffen, und ich habe nicht Trake gewählt.«
    »Hm. Aber vielleicht fand Euer Gott diese ganze Geschichte mit Grantl und all dem irgendwie nützlich. Menschen sind nicht die Einzigen, die Netze spinnen und damit spielen, richtig? Wir sind nicht die Einzigen, die manchmal im Gleichschritt marschieren oder sogar zusammenarbeiten, um etwas zu erreichen, das von gegenseitigem Nutzen ist – ohne irgendetwas davon dem Rest von uns zu erklären. Ich beneide Euch nicht, Stonny Menackis. Die Aufmerksamkeit eines Gottes ist eine tödliche Aufmerksamkeit. Aber so was passiert …« Tippa verstummte.
    Im Gleichschritt marschieren. Ihre Augen verengten sich. Und den Rest von uns im Unklaren lassen.
    Sie drehte sich um, ließ ihre Blicke über die Gruppen schweifen, die um die Zelte herumstanden, bis sie Paran entdeckte. »He, Hauptmann!«, rief sie.
    Er blickte auf.
    Und was ist mit dir, Hauptmann? Hast du vielleicht Geheimnisse? Hier ist was für dich. »Irgendwas Neues von Silberfuchs?«, fragte sie.
    Sämtliche Brückenverbrenner in der Nähe drehten sich nach dem adligen Offizier

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