SdG 05 - Der Tag des Sehers
Wunsch nach Rache richtete sich nur auf denjenigen, der diesen Fluch ausgesprochen hat.«
Ich hin überrascht, dass er oder sie noch existiert.
In ihren Worten schwang ein kaltes Lächeln mit. »Das war unser Fluch für ihn.«
Ich fange allmählich an zu glauben, dass ihr alle einander verdient.
Eine Pause entstand, dann sagte sie: »Vielleicht ist das wirklich so, Ganoes Paran.«
Was habt ihr mit Flickenseel gemacht?
»Nichts. Ihre Aufmerksamkeit ist im Augenblick auf andere Dinge gerichtet.«
Also habe ich mir selbst geschmeichelt, als ich etwas anderes vermutet habe. Verdammt, Paran, du bist immer noch ein Idiot.
»Wir werden ihr nichts zu Leide tun, Sterblicher. Selbst wenn wir dazu in der Lage wären, was wir nicht sind. In ihr ist Ehre. Und Integrität. Das sind seltene Qualitäten für jemanden, der so mächtig ist. Von daher haben wir Vertrauen – «
Eine gepanzerte Hand legte sich auf Parans Schulter, schreckte ihn auf. Er blinzelte, schaute sich um. Das Dach. Ich bin zurück.
»Hauptmann?«
Er begegnete Fäustels besorgtem Blick. »Was ist?«
»Tut mir Leid, Hauptmann, aber es hat ausgesehen, als hätten wir Euch verloren … zumindest einen Moment lang.«
Er schnitt eine Grimasse, wollte dem Mann ins Gesicht lügen, brachte es aber nicht fertig. »Wie lange?«
»Ein Dutzend Herzschläge, Hauptmann.«
»Mehr nicht? Gut. Wir müssen aufbrechen. Zum Knecht.«
»Hauptmann?«
Ich stehe jetzt zwischen ihnen und uns, Fäustel. Aber dieses »uns« ist viel mehr, als dir klar ist. Verdammt, ich wünschte, ich könnte es erklären. Ohne wie ein angeberischer Bastard zu klingen. Ohne auf die Fragen des Heilers einzugehen, drehte er sich um und entdeckte Trotter. »Kriegshäuptling. Der Knecht lockt.«
»In Ordnung, Hauptmann.«
Sämtliche Brückenverbrenner wichen seinem Blick aus. Paran fragte sich, warum. Fragte sich, was er verpasst hatte. Mit einem innerlichen Schulterzucken schritt er zu Grantl hinüber. »Ihr kommt mit uns«, sagte er.
»Ich weiß.«
Ja, den Eindruck hab ich auch. Schön, bringen wir’s hinter uns.
Der Turm des Palastes ragte wie ein Speer in die Höhe, eingehüllt in Banner aus geisterhaftem Rauch. Der dunkle, farblose Stein dämpfte das helle Sonnenlicht, in dem er badete. Dreihundertneununddreißig zugige Stufen führten im Innern des Turms nach oben; sie endeten auf einer offenen Plattform mit einem spitzen Dach aus Kupferziegeln, die keine Spur von Grünspan aufwiesen. Der Wind heulte zwischen den Säulen hindurch, die das Dach und die glatte steinerne Plattform trugen, doch der Turm schwankte nicht.
Itkovian stand da und blickte nach Osten, und der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Sein Körper fühlte sich unter der zerfetzten Rüstung blutleer und merkwürdig heiß an. Er wusste, dass seine Erschöpfung schließlich ihren Tribut forderte. Fleisch und Knochen waren nur bis zu einem bestimmten Punkt belastbar. Sie hatten den toten Fürsten in seinem Großen Saal brutal und wenig kunstvoll verteidigt. Korridore und Eingänge waren zu Schlachthäusern geworden. Der Gestank des Gemetzels hielt sich wie eine neue Schicht unter seiner Haut – selbst der Wind konnte ihn nicht wegblasen.
Die Kämpfe an der Küste und den Anlegestellen neigten sich einem grimmigen Ende zu, wie ein einsamer überlebender Kundschafter berichtet hatte. Die Betrullid waren aufgerieben worden und flohen entlang der Küste nach Norden, in die Salzmarschen, in denen ihre Pferde stecken bleiben würden, wie der Schild-Amboss nur zu gut wusste. Die verfolgenden Barghast würden kurzen Prozess mit ihnen machen.
Das Lager der Belagerer war auseinander gefegt worden, als wäre ein Tornado hindurchgebraust. Ein paar hundert Barghast – alte Frauen und Männer und Kinder – wanderten durch die blutigen Überreste, sammelten inmitten kreischender Möwen die Siegesbeute ein.
Die Ostschanze, jetzt nur noch ein Trümmerhaufen, ragte kaum noch über die Leichenberge hinaus. Rauch trieb davon wie von einem verglühenden Scheiterhaufen.
Itkovian hatte zugesehen, wie die Barghast-Clans in die Stadt vorgestoßen waren, hatte gesehen, wie aus dem Rückzug der Pannionier in den Straßen unter ihm eine panische Flucht geworden war. Beim Palast selbst war es nicht mehr zu Kämpfen gekommen. Auf dem Jelarkan-Platz hatte es ein Offizier der Domänenser geschafft, eine Nachhut zusammenzuziehen, und diese Schlacht tobte immer noch. Aber für die Pannionier war es ein Rückzugsgefecht. Sie erkauften sich Zeit
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