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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Vorstellung von Barmherzigkeit?
    »Du hast es zwar ein bisschen grob ausgedrückt, aber im Prinzip hast du Recht, Ganoes Paran.«
    Ein Herr der Drachenkarten darf nicht im Unklaren gelassen werden, Nachtfrost. Wenn ich diese Rolle und die damit einhergehende Verantwortung – wie auch immer sie aussehen mag, denn ich kenne sie noch nicht, beim Vermummten – tatsächlich akzeptieren soll, dann muss ich Bescheid wissen.
    »Das wirst du auch – rechtzeitig – «
    Er lachte höhnisch.
    »Rechtzeitig, habe ich gesagt. Gewähre uns diese kleine Barmherzigkeit, Sterblicher. Der Kampf, der vor uns liegt, unterscheidet sich nicht von einem Feldzug – zunehmende Kampfhandlungen, örtlich begrenzte Gefechte. Doch das Schlachtfeld ist kein Geringeres als die Existenz an sich. Kleine Siege sind lebenswichtige Beiträge zu dem allenthalben herrschenden Krieg, den zuführen wir uns entschlossen haben – «
    Wer ist »wir«?
    »Die überlebenden Älteren Götter … und andere, die sich ihrer Rolle etwas weniger bewusst sind.«
    K’rul? Der, der für Flickenseels Wiedergeburt verantwortlich ist?
    »Ja. Er ist mein Bruder.«
    Dein Bruder. Aber nicht der Bruder, der Dragnipur geschmiedet hat.
    »Nein, das war er nicht. Im Augenblick kann Draconus nur indirekt agieren, denn er ist im Innern eben jenes Schwerts angekettet, das er selbst geschaffen hat. Mit seiner eigenen Klinge niedergestreckt von Anomander Rake.«
    Paran spürte, wie sich ein Verdacht wie kalter Stahl in sein Herz bohrte. Er kann nur indirekt agieren, hast du gesagt.
    »Es war eine günstige Gelegenheit, Ganoes Paran. Eine niemals erwartete günstige Gelegenheit. Die Ankunft einer nicht angeketteten Seele in Dragnipur. Der Austausch einiger weniger Worte, die viel mehr bedeutet haben, als dir jemals klar war. So, wie die Bresche ins Gewirr der Dunkelheit geschlagen wurde, zerbrach auch die Barriere der Seelen. Nur ganz kurz. Aber genug – «
    Warte. Paran brauchte Stille, um nachzudenken, um schnell und gründlich nachzudenken. Als er im Innern von Dragnipur gewesen und mit den angeketteten Seelen dahingeschritten war, die ihre unvorstellbare Last hinter sich hergeschleppt hatten, hatte er tatsächlich mit einem dieser Gefangenen gesprochen. Beim Abgrund unter uns, das war Draconus. Doch er konnte sich an nichts von dem erinnern, was sie gesprochen hatten.
    Die Ketten führten ins Gewirr der Dunkelheit, in den Knoten unter dem ächzenden Wagen. So hielt die Dunkelheit alle jene Seelen, hielt sie fest.
    Ich muss zurück in das Schwert. Ich muss ihn fragen -
    »Jen’isand Rul. Ja, es stimmt, mein Bruder Draconus, derjenige, mit dem du gesprochen hast, als du im Innern des Schwertes warst - mein anderer Bruder – hat dich benutzt, Ganoes Paran. Findest du das brutal? Liegt diese Möglichkeit außerhalb deines Vorstellungsvermögens? Genau wie die anderen im Innern des Schwertes, sieht sich mein Bruder der … Ewigkeit gegenüber. Er hat versucht, einen Fluch zu überlisten, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass es so lange dauern würde. Er hat sich verändert, Sterblicher. Seine legendäre Grausamkeit ist … gemildert worden. Und er verfügt über Wissen, das im Laufe von Jahrtausenden angesammelt wurde. Aber was noch wichtiger ist: Wir brauchen ihn.«
    Ihr wollt, dass ich Draconus aus Rakes Schwert befreie.
    »Ja.«
    Damit er dann auf Rake losgeht, um sich die Waffe zurückzuholen, die er geschmiedet hat. Nachtfrost, ich würde lieber Rake als Draconus -
    »Einen solchen Kampf wird es nicht geben, Ganoes Paran.«
    Warum nicht?
    »Um Draconus zu befreien, muss das Schwert zerschmettert werden.«
    Der kalte Stahl zwischen seinen Rippen drehte sich jetzt. Und das würde auch … alle anderen befreien. Alles andere. Tut mir Leid, Weib, das werde ich nicht tun -
    »Wenn es eine Möglichkeit gibt, diese beängstigende Freisetzung wahnsinniger, bösartiger Geister zu verhindern – deren Zahl in der Tat unermesslich groß und zu entsetzlich ist, um sie sich auszumalen –, dann kennt sie nur ein Mann.«
    Draconus selbst.
    »Ja. Denke darüber nach, Ganoes Paran. Überstürze nichts – es ist noch Zeit.«
    Das freut mich zu hören.
    »Wir sind nicht so grausam, wie du glaubst.«
    Dann hat die Rachsucht dein Herz nicht geschwärzt, Nachtfrost? Entschuldige meine Zweifel.
    »Oh, ich will mich rächen, Sterblicher, aber nicht an den kleineren Spielern, die für den Verrat an mir verantwortlich sind, denn dieser Verrat war vorausbestimmt. Ein uralter Fluch. Und mein

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