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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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steinernen Lippen von Imroth verbrennen.«
    »Ja, das wird er wohl.« Karsa stieg ab und trat zu ihr. »Und jetzt führe mich zu deinem Haus.«
    Sie wich zurück. »Zum Haus meines Mannes? Kriegsführer – nein, bitte, lass uns ein anderes Haus nehmen – «
    »Das Haus deines Mannes«, sagte Karsa grollend. »Ich habe genug geredet, und du auch.«
     
    Eine Stunde vor Einbruch der Abenddämmerung führte Karsa seine letzte Trophäe zum Haus – die Tochter des Häuptlings. Weder er noch Bairoth oder Delum hatten das Blutöl gebraucht, ein Beweis für die Fähigkeiten der Uryd, wie Bairoth behauptete, obwohl Karsa den Verdacht hegte, dass die wahre Ehre dem Eifer und dem aus der Verzweiflung geborenen Einfallsreichtum der Frauen der Rathyd gebührte; dennoch – die letzten paar hatten den Kriegern alles abverlangt. Nachdem er die junge Frau ins dämmrige Innere des Hauses mit seinem ersterbenden Herdfeuer gezogen hatte, schlug Karsa die Tür zu und legte den Riegel vor. Sie drehte sich um und blickte ihn an, das Kinn neugierig in die Höhe gereckt.
    »Mutter hat gesagt, du wärst überraschend sanft.«
    Er beäugte sie. Sie ist wie Dayliss, und doch auch wieder nicht. In der hier ist keine dunkle Ader. Das ist … ein Unterschied. »Zieh dich aus.«
    Sie schlüpfte schnell aus ihrer Ledertunika. »Wenn ich die Erste gewesen wäre, Karsa Orlong, hätte ich deinem Samen ein Heim gegeben. Denn in meinem Rad der Zeit ist heute der Tag dafür.«
    »Wärest du denn stolz gewesen?«
    Sie hielt inne und blickte ihn überrascht an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ihr habt alle Kinder und alle Alten erschlagen. Es wird Jahrhunderte dauern, bis unser Dorf sich davon wieder erholt haben wird, vielleicht wird es das auch nie tun; denn es könnte sein, dass die Krieger vor Wut aufeinander losgehen, und dann auf uns Frauen – solltet ihr entkommen.«
    »Entkommen? Leg dich da hin, wo auch deine Mutter gelegen hat. Karsa Orlong ist nicht daran interessiert, zu entkommen.« Er bewegte sich vorwärts, so dass er nun über ihr stand. »Eure Krieger werden nicht zurückkehren. Das Leben dieses Dorfes ist beendet, und in vielen von euch wird der Samen der Uryd sein. Geht zu ihnen, ihr alle, und lebt bei meinem Volk. Was dich und deine Mutter betrifft, so geht in das Dorf, in dem ich geboren wurde. Wartet dort auf mich. Erzieht eure Kinder – meine Kinder – als Uryd.«
    »Du stellst kühne Forderungen, Karsa Orlong.«
    Er begann, seine Lederkleider auszuziehen.
    »Es sind nicht nur Forderungen, wie ich sehe«, bemerkte sie. »Dann gibt es also keinen Bedarf für Blutöl.«
    »Du und ich – wir werden das Blutöl für den Augenblick aufbewahren, da ich zurückkomme.«
    Ihre Augen weiteten sich, und sie lehnte sich zurück, als er über sie glitt. Mit leiser Stimme fragte sie: »Willst du denn meinen Namen gar nicht wissen?«
    »Nein«, brummte er. »Ich werde dich Dayliss nennen.« Er sah nichts von der Schamröte, die ihr junges, hübsches Gesicht überzog. Und er spürte auch nichts von der Dunkelheit, mit der seine Worte ihre Seele umkrallten.
    Genau wie in ihrer Mutter fand Karsa Orlongs Samen auch in ihr eine Heimat.
     
    Ein später Sturm war von den Bergen herabgekommen, hatte die Sterne verschluckt. Die Baumwipfel wurden von einem Wind hin und her geschüttelt, der keine Anstalten machte, tiefer herabzureichen, so dass ein Rauschen und Dröhnen über ihren Köpfen herrschte und eine merkwürdige Ruhe zwischen den Stämmen. Blitze flackerten, doch es dauerte lange, bis sich die Stimme des Donners erhob.
    Sie ritten eine Stunde durch die Dunkelheit, dann fanden sie in der Nähe des Pfads einen alten Lagerplatz des Jagdtrupps. Ihre Wut hatte die Rathyd-Krieger unachtsam gemacht, denn sie hatten zu viele Spuren hinterlassen. Delum kam zu dem Schluss, dass in diesem Jagdtrupp zwölf Erwachsene und vier Jugendliche sein mussten – alle beritten –, was ungefähr ein Drittel aller kampffähigen Männer des Dorfes ausmachen musste. Die Hunde waren bereits losgelassen worden, um auf eigene Faust in Meuten zu jagen, daher befanden sich auch keine mehr bei der Gruppe, die die Uryd nun verfolgten.
    Karsa war überaus zufrieden. Die Hornissen hatten das Nest verlassen, aber sie flogen blind.
    Sie aßen noch einmal von dem nicht mehr ganz frischen Bärenfleisch, dann wickelte Bairoth erneut den Bärenschädel aus und begann ihn wieder mit Lederstreifen zu umwickeln, dieses Mal um die Schnauze, wobei er sie mit den Zähnen festzurrte.

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