SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
flüsternd.
»Einen Dämon«, antwortete er. »Er ist schon eine Ewigkeit unter dem Stein da begraben. Und er ist noch immer am Leben.«
»Der Forkassal.«
»Genau. Es liegt viel Wahrheit in unseren Legenden, so scheint es.«
Bairoth ging an ihm vorbei und trat zu der Felsplatte. Er kauerte sich vor der Hand hin und musterte sie lange im Zwielicht, dann stand er wieder auf und kam zurück. »Der Forkassal. Der Dämon der Berge. Der-Eine-Der-Frieden-Begehrte.«
»Aus der Zeit der Geistkriege, als unsere alten Götter jung waren«, ergänzte Delum. »Was weißt du noch von dieser Geschichte, Karsa Orlong? Sie war kurz, eigentlich nur Bruchstücke. Die Alten haben selbst zugegeben, dass das meiste davon schon lange, bevor die Sieben erwacht sind, verloren gegangen war.«
»Bruchstücke«, stimmte Karsa zu. »Die Geistkriege waren zwei, vielleicht auch drei Invasionen, und die Teblor hatten eigentlich nichts damit zu tun. Damals waren fremde Götter und Dämonen am Werk, deren Kämpfe die Berge erbeben ließen. Nur eine Macht ist schließlich übrig geblieben – «
»Und nur in diesen Geschichten«, warf Delum ein, »wird Icarium erwähnt. Karsa Orlong, es könnte sein, dass diese T’lan Imass – von denen in dem alten Grab geschrieben stand – etwas mit den Geistkriegen zu tun hatten, und dass sie die Sieger waren, die danach gegangen und niemals zurückgekehrt sind. Es könnte sein, dass es die Geistkriege waren, die unser Volk zerstreut haben.«
Bairoths Blick war noch immer auf die Felsplatte gerichtet. Jetzt sprach er. »Der Dämon muss befreit werden.« Sowohl Karsa wie Delum drehten sich zu ihm um, sprachlos angesichts dieses Vorschlags.
»Sagt nichts«, fuhr Bairoth fort, »lasst mich erst ausreden. Es heißt, dass der Forkassal dorthin gekommen ist, wo die Geistkriege tobten, weil er danach strebte, Frieden zwischen den streitenden Parteien zu stiften. Das ist eines der Bruchstücke der Geschichte. Doch der Dämon wurde wegen seiner Bemühungen vernichtet. Das ist ein anderes Stück. Auch Icarium hat versucht, den Krieg zu beenden, aber er kam zu spät, und die Sieger wussten, dass sie ihn nicht besiegen konnten und haben es daher nicht einmal versucht. Ein drittes Bruchstück. Delum Thord, die Worte in der Höhle haben ebenfalls von Icarium gesprochen, nicht wahr?«
»Das haben sie, Bairoth Gild. Icarium hat den Teblor die Gesetze gegeben, die ihr Überleben gesichert haben.«
»Doch wenn die T’lan Imass gekonnt hätten, hätten sie auch auf ihn einen Stein gewälzt.« Nach diesen Worten verstummte Bairoth.
Karsa drehte sich um und stapfte zurück zu der Felsplatte. Ihr Leuchten war an einigen Stellen unbeständig, ein Zeichen für das Alter des Zaubers, dafür, dass die Macht, mit der die Platte ausgestattet worden war, allmählich verfiel. Die Alten der Teblor wirkten Magie, aber nur selten. Seit dem Erwachen der Gesichter im Fels erfuhren sie Zauberei im Schlaf oder in Trancezuständen. In den alten Legenden war die Rede von offener Zurschaustellung bösartiger Magie, von schrecklichen Waffen, mit Flüchen gehärtet, aber Karsa hegte den Verdacht, dass das alles nichts als kunstvolle Erfindungen waren, um den Geschichten mehr Farbe zu verleihen. Er machte ein finsteres Gesicht. »Ich verstehe diese Magie nicht«, sagte er.
Bairoth und Delum traten zu ihm.
Die Hand lag immer noch flach und reglos da.
»Ich frage mich, ob der Dämon unsere Worte wohl hören kann«, sagte Delum.
Bairoth grunzte. »Selbst wenn er es könnte, warum sollte er sie verstehen? Die Tiefländer sprechen eine andere Sprache als wir. Auch Dämonen haben wahrscheinlich ihre eigene.«
»Aber er ist gekommen, um Frieden zu bringen – «
»Er kann uns nicht hören«, stimmte Karsa zu. »Er kann nur die Gegenwart von jemandem … oder von etwas spüren.«
Schulterzuckend hockte Bairoth sich erneut neben die Felsplatte. Er streckte die Hand aus, zögerte einen Augenblick, und legte sie dann auf den Felsen. »Der Fels ist weder heiß noch kalt. Seine Magie wirkt nicht auf uns.«
»Dann soll sie nicht beschützen, sondern nur festhalten«, meinte Delum.
»Wir drei müssten in der Lage sein, die Platte hochzuheben.«
Karsa musterte Bairoth. »Was willst du hier aufwecken, Bairoth Gild?«
Der massige Krieger blickte aus zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch. Dann hob er die Brauen und lächelte. »Einen Friedensbringer?«
»Es liegt kein Wert im Frieden.«
»Zwischen den Teblor muss Frieden herrschen, sonst werden
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