SdG 07 - Das Haus der Ketten
Lostara. »Was bedeutet, dass sie entweder das Ereignis überlebt hatten oder Eindringlinge waren … genau wie wir.«
»Die höchstwahrscheinlich durch genau das Tor gekommen sind, dem wir uns nun nähern.«
»Um mit wem die Klingen zu kreuzen?«
Perl zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber ich habe ein paar Theorien.«
»Natürlich habt Ihr das«, schnappte sie. »Wie alle Männer – denn Ihr hasst es, sagen zu müssen, dass Ihr es nicht wisst, und es dann dabei zu belassen. Ihr habt auf jede Frage eine Antwort, und wenn Ihr keine habt, denkt Ihr Euch eine aus.«
»Das ist jetzt aber eine ungeheuerliche Anschuldigung, meine Liebe. Es ist keine Frage des Sichausdenkens von Antworten, es ist eher eine Übung in Mutmaßungen. Es gibt einen Unterschied – «
»Das sagt Ihr, aber das ist es nicht, was ich mir anhören muss. Die ganze Zeit über. Endlos viele Worte. Gibt es überhaupt irgendeinen Mann, der glaubt, dass es auch mal zu viele Worte sein können?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Perl.
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, doch er achtete peinlich genau darauf, geradeaus zu starren.
Sie erreichten den Rand des Abhangs und blieben stehen, blickten nach unten.
Der Abstieg würde tückisch werden; ein Durcheinander aus verstreut herumliegenden Knochen und von Verfall zerfressenen Schwertern sowie eine Schicht aus Asche und Staub, von der sie nicht wussten, wie tief sie war. Das Loch am Grund mochte vielleicht zehn Schritt messen, und es gähnte schwarz.
»In der Wüste gibt es Spinnen«, murmelte Lostara, »die genau solche Fallen bauen.«
»Aber gewiss doch etwas kleiner.«
Sie bückte sich und hob einen Oberschenkelknochen auf, war einen Augenblick von seinem Gewicht überrascht – und warf ihn dann den Abhang hinunter.
Ein dumpfes Dröhnen.
Dann verschwand die festgebackene Asche unter ihren Stiefeln.
Und hinab ging es, inmitten einer Explosion aus Asche, Staub und Knochensplittern. Ein zischendes Dahinschießen – blind, hustend – und dann fielen sie durch einen trockenen Platzregen. Um schwer auf einem anderen Abhang zu landen, den sie in einer tosenden, widerhallenden Lawine hinunterstürzten.
Es war ein Hinabgleiten inmitten von Knochensplittern und Eisenstücken, und es schien kein Ende zu nehmen.
Lostara bekam keine Luft – sie ertranken förmlich in dichtem Staub, rutschten und rollten, sanken ein, um dann wieder ins Freie zu brechen. Hinab, hinab, durch vollkommene Dunkelheit. Ein plötzlicher, unangenehmer Zusammenstoß mit etwas – möglicherweise Holz –, dann eine verwitterte, zerknitterte Oberfläche, die gepflastert zu sein schien, und weiter ging es nach unten.
Noch ein Rumms und noch ein Sturz.
Dann rollte sie plötzlich – getrieben von einer Woge aus Asche und Geröll – über Pflastersteine und kam schließlich knirschend, flach auf dem Rücken liegend zum Halten, ein kühler Luftstrom wehte an ihrer linken Seite entlang – wohin sie die Hand ausstreckte, tastete, dann nach unten, dorthin, wo der Fußboden hätte sein sollen. Nichts. Sie lag an einer Kante, und irgendetwas sagte ihr, dass, hätte sie auch diesen letzten Abstieg noch absolviert, der Vermummte sie an seinem Ende begrüßt hätte.
Ein Husten etwas weiter oben am Hang zu ihrer Rechten. Ein leichter Stoß, als die aufgeschichteten Knochen und die Asche auf dieser Seite sich bewegten.
Noch ein solcher Stoß, und sie würde über die Kante geschoben werden. Lostara drehte ihren Kopf nach links und spuckte aus, versuchte zu sprechen. »Nicht.« Das Wort klang dünn und heiser.
Noch ein Husten, dann: »Was nicht?«
»Bewegen.«
»Oh. Das klingt nicht gut. Es ist nicht gut, oder?«
»Es ist nicht gut. Noch eine Kante. Noch ein Sturz … und der wäre dann, glaube ich, für immer.«
»Nun, an diesem Punkt erscheint mir die wohl überlegte Benutzung meines Gewirrs angemessen, meint Ihr nicht auch?«
»Ja.«
»Einen Augenblick …«
Eine matte Kugel aus Licht entstand, schwebte über ihnen, und ihr Schein kämpfte gegen die wirbelnden Staubwolken an.
Die Kugel kam näher – wurde größer. Heller.
Enthüllte all das, was über ihnen war.
Lostara sagte nichts. Ihre Brust hatte sich zusammengezogen, als wäre sie nicht willens, einen weiteren Atemzug aufzunehmen. Ihr Herz pochte dröhnend. Holz. Ein x-förmiges Kreuz ragte schräg über ihnen auf, so groß wie ein vierstöckiges Gebäude. Das Schimmern gigantischer, zerfressener Nägel.
Und, an das Kreuz genagelt -
- ein
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