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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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in die Luft, wurden vom Wind noch höher getragen und schraubten sich himmelwärts, als wollten sie den Wirbelwind selbst herausfordern.
    Noch mehr wilde Pferde drängten sich auf der Hügelkuppe über ihnen, und das Donnern verstummte plötzlich, als sämtliche Tiere stehen blieben; sie bildeten, die Köpfe nach innen gewandt, einen riesigen eisengrauen Ring. Stille. Die wogenden Staubwolken torkelten mit dem Wind davon.
    Karsa blickte wieder den Baum an. »Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass sie vom Aussterben bedroht sind, Phyrlis. Ich habe noch nie so viele Fohlen und Jährlinge in einer Herde gesehen. Und ich habe auch noch nie zuvor eine Herde von dieser Größe gesehen. Sie muss zehn-, fünfzehntausend Köpfe zählen – und wir können noch nicht einmal alle sehen.«
    Phyrlis schien nicht in der Lage zu sein, etwas zu erwidern. Die Zweige des Baums schwankten noch immer, die Blätter raschelten in der heißen Luft.
    »Du sprichst die Wahrheit, Karsa Orlong«, krächzte Cynnigig, der den Thelomen Toblakai mit einer geradezu unheimlichen Eindringlichkeit anblickte. »Die Herden haben sich versammelt – und einige sind tatsächlich von weit her gekommen, als sie den Ruf vernommen haben. Aber es war nicht Phyrlis’ Ruf. Nein, sie sind nicht auf ihren Ruf hin gekommen. Sondern auf deinen, Karsa Orlong. Und dafür haben wir keine Erklärung. Aber jetzt musst du wählen.«
    Mit einem Nicken drehte Karsa sich um und musterte die Pferde.
    »Karsa Orlong, du hast vorhin von einer hölzernen Waffe gesprochen. Aus welchem Holz war diese Waffe?«
    »Aus Eisenholz. Es war das einzige geeignete Holz, das ich hier finden konnte. In meinem Heimatland benutzen wir Blutholz.«
    »Und Blutöl?«
    »Ja.«
    »Das in das Holz gerieben wird. Blutöl, das deine Hände befleckt. Sie können es riechen, Karsa Orlong – «
    »Aber ich habe keines mehr.«
    »Nicht an dir. In dir. Es kreist in deinen Adern, Karsa Orlong. Seit Zehntausenden von Jahren hat es in der Jhag-Odhan kein Blutholz mehr gegeben. Doch diese Pferde erinnern sich daran. Und jetzt musst du wählen.«
    »Blutholz und Blutöl«, sagte Cynnigig. »Das ist eine unzureichende Erklärung, Phyrlis.«
    »Ja, das ist es. Aber es ist alles, was ich habe.«
    Karsa überließ sie ihrem Streitgespräch und ging hinunter zu den wartenden Pferden. Sein Schwert ließ er aufrecht in der Erde stecken. Hengste warfen den Kopf zurück, als er näher kam, und der Teblor lächelte – wobei er sorgsam darauf achtete, nicht die Zähne zu zeigen, denn er wusste, dass sie ihn als Raubtier ansahen und sich selbst als Beute. Obwohl sie mich mit Leichtigkeit töten könnten. Gegen so viele hätte ich keine Chance. Er sah einen Hengst, der eindeutig alle anderen beherrschte, was an dem großen freien Platz um ihn herum und seinem stampfenden, herausfordernden Verhalten zu erkennen war. Karsa schritt vor sich hin murmelnd an ihm vorbei. »Du nicht, Stolzer. Die Herde braucht dich mehr als ich.« Er erspähte einen anderen Hengst, der gerade ausgewachsen war, und ging auf ihn zu, näherte sich ihm langsam von der Seite, so dass das Pferd ihn immer im Blick behalten konnte.
    Seine Mähne und Schweif waren weiß, nicht schwarz. Lange Gliedmaßen, Muskeln, die sich deutlich unter der glatten Haut abzeichneten. Graue Augen.
    Karsa blieb einen Schritt vor dem Tier stehen. Er streckte langsam die rechte Hand aus, legte seine Fingerspitzen auf die bebenden Nüstern des Tiers. Er begann Druck auszuüben. Der Hengst leistete Widerstand und trat einen Schritt zurück. Karsa drückte den Kopf weiter nach hinten und prüfte die Biegsamkeit des Halses. Immer weiter beugte er den Hals, bis das Kinn des Pferdes fast an seiner Brust ruhte.
    Dann hörte er auf zu drücken, ließ aber seine Finger, wo sie waren, als der Hengst langsam den Hals reckte.
    »Ich nenne dich Havok«, flüsterte er.
    Er bewegte seine Hand nach unten, bis seine Fingerspitzen – bei nach oben geöffneter Handfläche – unter dem Kinn des Tiers ruhten, ging dann langsam rückwärts und führte den Hengst aus der Herde heraus.
    Der Leithengst wieherte laut, und die Herde setzte sich explosionsartig in Bewegung. Der Kreis löste sich auf, kleinere Gruppen bildeten sich, als die Pferde durch das hohe Gras donnerten. Sie umrundeten die Zwillingshügel in westlicher und südlicher Richtung und rasten wieder ins Herzland der Jhag-Odhan hinaus.
    Havok hatte aufgehört zu zittern. Das Tier passte sich Karsas Tempo an,

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