SdG 08 - Kinder des Schattens
könnte sein, dass wir heute Abend Gäste haben.«
»Das werde ich, wenn ich Zeit dafür finde.«
Tehol blieb stehen. Direkt vor ihm verlief eine gezackte Kante – hier war ein Teil des Dachs eingestürzt. »Ach, ja, du musst ja noch die Hose machen. Hast du denn genug Wolle?«
»Nun, ich kann entweder ein Bein normal lang machen, oder beide kurz.«
»Wie kurz?«
»Ziemlich kurz.«
»Mach das eine Bein lang.«
»In Ordnung, Herr. Und dann muss ich etwas zu essen für uns finden. Und zu trinken.«
Tehol drehte sich um, die Hände in die Hüften gestemmt. »Haben wir nicht buchstäblich alles verkauft, bis auf ein Bett und einen einzigen Hocker? Wie viel Aufwand erfordert es dann noch, aufzuräumen und sauber zu machen?«
Bagg blinzelte. »Nicht viel«, gab er zu. »Was wollt Ihr heute Abend essen?«
»Etwas, das gekocht werden muss.«
»Heißt das nun, etwas, das besser schmeckt, wenn es gekocht wird, oder etwas, das unbedingt gekocht werden muss?«
»Das ist egal.«
»Wie steht es mit Holz?«
»Ich esse doch kein Holz …«
»Für den Herd.«
»Ach, richtig. Nun, sieh zu, dass du welches auftreiben kannst. Schau dir den Hocker an, auf dem du sitzt – der braucht doch eigentlich gar nicht alle drei Beine, oder? Wenn es sich nicht mehr lohnt, etwas zusammenzuklauben, ist es an der Zeit, sich etwas einfallen zu lassen. Ich werde jetzt aufbrechen, um mein dreigestaltiges Schicksal zu treffen, Bagg. Bete darum, dass der Abtrünnige in die andere Richtung schaut, ja?«
»Natürlich.«
Tehol kletterte die Leiter hinunter, wobei er in einem Anflug von Panik entdeckte, dass nur noch jede dritte Sprosse vorhanden war.
Der Raum im Erdgeschoss war bis auf eine dünne Matratze, die vor der Wand zusammengerollt war, leer. Ein einziger, ziemlich mitgenommener Topf stand auf der Abdeckplatte des Herds, der sich unter dem nach vorne hinausgehenden Fenster befand; gleich daneben standen zwei hölzerne Löffel und Schüsseln auf dem Fußboden. Alles in allem wirkte der Raum in seiner Kargheit doch elegant, dachte Tehol.
Er schlug den zerfressenen Vorhang beiseite, der als Tür diente, und nahm sich vor, Bagg zu sagen, dass er die Türklinke aus der Asche herausfischen sollte. Ein bisschen poliert würde sie vielleicht ein oder zwei Stummel bei Cusp, dem Kesselflicker, bringen. Tehol trat nach draußen.
Er befand sich in einem engen Durchgang, der so schmal war, dass er gezwungen war, sich seitwärts hinaus auf die Straße zu schlängeln, wobei er bei jedem Schritt Müll beiseite trat. Üppige Frauen … Ich wünschte, ich hätte gesehen, wie sie sich zu meiner Tür durchgequetscht haben. Eine Einladung zum Essen schien ihm jetzt unbedingt erforderlich. Und als der aufmerksame Gastgeber, der er war, könnte er sich so hinstellen, dass er freie Sicht besaß. Das Vergnügen, das sie möglicherweise auf seinem Gesicht erblicken würden, mochten sie dann für ein freundliches Willkommen halten.
Die Straße hinter dem Durchgang war leer, abgesehen von drei Nerek, einer Mutter mit ihren Mischlingskindern, die in einer zurückgesetzten Nische in der Wand gegenüber ein neues Zuhause gefunden hatten und nichts anderes zu tun schienen als eng zusammengekauert zu schlafen. Er schritt an ihnen vorbei, kickte eine Ratte weg, die sich näher herangeschoben hatte, und schlängelte sich zwischen den hoch aufgestapelten hölzernen Kisten hindurch, die dieses Ende der Straße buchstäblich blockierten. Biris Lagerhaus war ständig überfüllt, und Biri betrachtete den hintersten Bereich der Cul-Straße auf dieser Seite des Quillas-Kanals als seinen persönlichen Hinterhof.
Chalas, der Hofwächter, lag – den lederumwickelten Schlagstock quer auf den Schenkeln – lässig hingestreckt auf einer Bank auf der anderen Seite, wo sich die Cul-Straße auf den Burl-Platz öffnete. Rot geäderte Augen richteten sich auf Tehol. »Nettes Hemd«, sagte der Wächter.
»Du beflügelst meine Schritte, Chalas.«
»Stets bemüht, Euch einen Gefallen zu tun, Tehol.«
Tehol blieb mit in die Hüften gestemmten Händen stehen und ließ den Blick über den überfüllten Platz schweifen. »Die Stadt blüht und gedeiht.«
»Hat sich nichts verändert … abgesehen vom letzen Mal.«
»Oh, das war nur eine kleine Abweichung, wie das mit Strömungen eben so ist.«
»Bei Biri hört sich das ganz anders an. Er will immer noch Euren Kopf einpökeln und in einem Fass runter zum Meer rollen.«
»Biri ist schon immer auf der Stelle getreten.«
Chalas
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