Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
so leer zu sehen. Aber sie wusste, dass es nicht lange so bleiben würde.
    Und daher wartete sie.
    Als sie die sich nähernden Schritte hörte, hatten ihre Fingerspitzen schon wieder aufgehört zu bluten. Sie schaute auf und lächelte, als sie Onkel Brys und den alten Mann mit den Glasaugen sah – denjenigen, den sie noch nie gesehen hatte, den sie aber trotzdem schon kannte.
    Sic sahen sie ebenfalls, und Brys schritt durch das Tor; der alte Mann folgte ihm mit nervösen, zögernden Schritten.
    »Hallo, Onkel«, sagte Kessel.
    »Kessel. Du siehst … besser aus. Ich habe einen Gast mitgebracht, den Ceda Kuru Qan.«
    »Ja, denjenigen, der mich immer ansieht, aber mich nicht sieht, der aber trotzdem immer wieder nachschaut.«
    »Dessen war ich mir nicht bewusst«, sagte der Ceda.
    »Nicht so, wie du es jetzt tust«, sagte Kessel. »Nicht, wenn du diese Dinger vor den Augen hast.«
    »Du meinst, wenn ich mir das Cedarium ansehe? Ist es dann der Fall, dass ich dich sehe, ohne dich zu sehen?«
    Sie nickte.
    »Die Feste des Azath ist tot, Kind, und doch bist du noch hier. Du warst sein Wächter, als der Azath noch am Leben war – und du es nicht warst. Und jetzt – bist du jetzt immer noch sein Wächter? Nun, da er tot ist und du es nicht mehr bist?«
    »Ich bin nicht tot?«
    »Nicht ganz. Es ist das Herz, das dir eingepflanzt wurde. Einst war es gefroren, doch … es taut auf. Ich kann seine Macht nicht verstehen, und ich muss zugeben, dass es mir Angst macht.«
    »Ich habe einen Freund, der hat gesagt, dass er mich vernichten wird, wenn es sein muss«, sagte Kessel lächelnd. »Aber er sagt, dass er es wahrscheinlich nicht tun muss.«
    »Warum nicht?«
    »Er sagt, das Herz wird nicht aufwachen. Nicht ganz. Deshalb hat die Namenlose meinen Körper genommen.«
    Sie sah, wie der alte Mann die Lippen bewegte, doch es kamen keine Worte aus seinem Mund. Onkel Brys trat ein bisschen näher zu ihm, blickte ihn besorgt an.
    »Ceda? Ist alles in Ordnung?«
    »Die Namenlose?« Der alte Mann erschauerte. »Dieser Ort hier –  dies ist die Feste des Todes, nicht wahr? Er ist die Feste des Todes geworden.«
    Kessel streckte den Arm aus und hob den Pflasterstein auf. Er war ungefähr so schwer wie ein Leichnam, daher war sie an das Gewicht gewöhnt. »Dies ist für dein Cedarium, für das, wo du hinschaust, wenn du mich nicht siehst.«
    »Eine Fliese.« Kuru Qan blickte weg, als sie sie vor ihm hinlegte.
    »Ceda«, sagte Onkel Brys. »Ich verstehe das alles nicht. Was ist hier geschehen?«
    »Unsere Geschichte … So viel erweist sich als falsch. Die Namenlosen haben zum Ersten Imperium gehört. Ein Kult. Er wurde ausgemerzt. Vollständig ausgelöscht. Er kann nicht überlebt haben – doch genau das scheint hier der Fall zu sein. Es scheint, als hätte er sogar das Erste Imperium überlebt.«
    »War es irgendeine Art von Todeskult?«
    »Nein. Seine Mitglieder waren Diener des Azath.«
    »Und warum«, fragte Brys, »haben sie dann anscheinend den Tod dieses Azath-Turms beaufsichtigt?«
    Kuru Qan schüttelte den Kopf. »Es sei denn, sie haben ihn für unausweichlich erachtet. Und so haben sie gehandelt, um den Wesen in den Hügelgräbern entgegenzuwirken, die entflohen wären, sobald der Turm tot war. Es könnte sich herausstellen, dass die Manifestation einer Feste des Todes nichts mit ihnen zu tun hat.«
    »Und warum ist sie dann immer noch die Wächterin?«
    »Es mag sein, dass sie das nicht mehr ist, Brys. Sie wartet, um sich mit jenen zu befassen, die kurz davor sind, aus der Erde zu entkommen.« Der Ceda richtete den Blick wieder auf Kessel. »Bleibst du deshalb hier, Kind?«
    Sie zuckte die Schultern. »Es wird jetzt nicht mehr lange dauern.«
    »Und derjenige, den der Azath ausgewählt hat, derjenige, der dir helfen soll, Kessel – wird er rechtzeitig auftauchen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.«
    »Ich auch«, sagte Kuru Qan. »Danke für die Fliese, Kind. Dabei wundere ich mich immer noch über dein Wissen, was diese neue Feste angeht.«
    Kessel zupfte sich ein Insekt aus den Haaren und warf es beiseite. »Der hübsche Mann hat mir alles darüber erzählt«, sagte sie.
    »Noch ein Besucher?«
    »Er war nur einmal hier. Meistens steht er einfach drüben auf der anderen Straßenseite im Schatten. Manchmal ist er mir gefolgt, wenn ich auf die Jagd gegangen bin, aber er hat niemals etwas gesagt. Bis heute. Heute ist er herübergekommen und wir haben gesprochen.«
    »Hat er dir seinen Namen genannt?«, fragte der

Weitere Kostenlose Bücher