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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Vorfahren haben es aus Emurlahn mitgebracht. Bruder, wir blicken zurück –«
    »Auf jene Zeit, in der Vater Schatten über uns geherrscht hat«, unterbrach ihn Forcht. Sein Gesicht verdüsterte sich. »Hannan Mosag sagt die Wahrheit. Wir müssen uns die Letherii einverleiben. Wir müssen sie unter ein Joch zwingen und uns so ihren natürlichen Antrieb, Veränderungen herbeizuführen, zunutze machen.«
    »Und was wird dadurch aus uns, Bruder? Wir widersetzen uns Veränderungen, wir verehren sie nicht, wir blühen in Zeiten der Veränderung nicht auf wie die Letherii. Außerdem bin ich noch nicht davon überzeugt, dass ihr Weg der richtige ist. Ich habe den Verdacht, ihr Glaube an den Fortschritt ist weit zerbrechlicher, als es nach außen den Anschein hat. Am Ende müssen sie immer mit Gewalt versuchen, ihre Ziele zu erreichen.« Trull deutete auf das Schwert. »Mit so was da.«
    »Wir werden ihnen den Weg weisen, Trull. Hannan Mosag war das bewusst –«
    »Jetzt veränderst du die Vergangenheit, Forcht. Er hatte nicht vor, Krieg gegen die Letherii zu führen.«
    »Nicht gleich, das stimmt. Aber es wäre dazu gekommen. Und er hat es gewusst. Das haben die K’risnan mir erzählt. Wir hatten Vater Schatten verloren. Wir mussten eine neue Quelle des Glaubens finden.«
    »Eine gesichtslose?«
    »Verdammt, Trull! Du hast vor ihm gekniet – genau wie wir anderen!«
    »Und bis zum heutigen Tag frage ich mich, warum. Was ist mit dir, Forcht? Fragst du dich manchmal, warum du getan hast, was du getan hast?«
    Sein Bruder wandte sich ab. Er zitterte, wie Trull deutlich erkennen konnte. »Ich habe keinen Zweifel gesehen.«
    »In Hannan Mosag. Und daher bist du seinem Beispiel gefolgt. Genau wie der Rest von uns, vermute ich. Wir alle sind vor Rhulad niedergekniet, weil wir geglaubt haben, in den anderen eine Gewissheit zu erkennen, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat –«
    Mit einem Aufbrüllen wirbelte Forcht herum, das Schwert hoch erhoben. Er schwang es nach unten -
    – und plötzlich wurde der Hieb aufgehalten. Der Dämon hatte seine riesige Hand um Forchts Unterarm geschlossen und hielt ihn fest.
    »Lass mich los!«
    »Nein«, erwiderte Lilac. »Dieser Krieger hat meinen Tod gestohlen. Jetzt stehle ich seinen.«
    Forcht kämpfte noch einen Augenblick gegen den Dämon an, doch dann wurde ihm klar, dass es hoffnungslos war, und er sackte in sich zusammen.
    »Du kannst ihn jetzt loslassen«, sagte Trull.
    »Wenn er noch einmal angreift, werde ich ihn töten«, sagte der Dämon und ließ Forchts Arm los.
    »Wir sind Hannan Mosag gefolgt«, sagte Trull, »doch was wussten wir von seinen Gedanken? Er war unser Hexenkönig, und daher sind wir ihm gefolgt. Denk darüber nach, Forcht. Er hatte eine neue Quelle der Macht ausfindig gemacht und Vater Schatten zurückgewiesen. Klar, er hat – genau wie wir dann später –  gewusst, dass Scabandari Blutauge tot ist oder dass bestenfalls sein Geist noch lebt, er aber für uns verloren ist. Daher hat er einen Pakt mit … jemand anderem geschlossen. Und er hat dich und mich und Binadas und Rhulad und die Buhns losgeschickt, um das Geschenk zu holen …, dieses … Ding, das für ihn geschaffen worden war. Der Fehler liegt bei uns, Forcht. Er liegt darin, dass wir den Hexenkönig nicht in Frage gestellt und ihn nicht herausgefordert haben. Wir waren Narren, und alles, was jetzt vor uns liegt, alles, was noch geschehen wird, ist unser Fehler.«
    »Er ist der Hexenkönig, Trull.«
    »Der absolute Macht über alle Edur erlangt hat. Er hatte sie in Händen und wollte sie um keinen Preis wieder aufgeben. Und darum hat er seine Seele übergeben. Genau wie wir, als wir vor Rhulad niedergekniet sind.«
    Forcht starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Du übst Verrat, Bruder.«
    »Was verrate ich? Wen verrate ich? Sag es mir, ich will es wirklich wissen. Hast du das Gesicht unseres neuen Gottes gesehen?«
    »Wenn in diesem Augenblick Binadas an meiner Stelle hier stünde«, flüsterte Forcht, »wärst du jetzt schon tot.«
    »Wird das etwa in unserem wunderbaren neuen Imperium das einzige Schicksal sein, das diejenigen erwartet, die eine abweichende Meinung äußern?«
    Forcht starrte auf das Schwert in seiner Hand. Dann ließ er es fallen. »Deine Krieger warten auf dich, Trull. In zwei Tagen werden wir weitermarschieren. Nach Süden, nach Letheras.« Er drehte sich um und ging davon.
    Trull schaute ihm einen Moment nach, dann richtete er den Blick wieder auf den Fluss. Trotz

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