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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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werden Euch gegenüber eine Sprache benutzen, die Eure Treue entfachen soll. Sie suchen Anhänger – und wehe denen, die sie in Frage stellen oder sie herausfordern.
    Zivilisation um Zivilisation, es ist immer dasselbe. Die Welt fällt flüsternd der Tyrannei anheim. Die Furchtsamen sind stets darauf erpicht, sich jeder Notwendigkeit zu beugen, die sie spüren, denn sie glauben, dass Notwendigkeit Anpassung erzwingt, und Anpassung eine gewisse Stabilität mit sich bringt. In einer Welt, die zur Anpassung geformt ist, stehen Abweichler abseits, werden mühelos gebrandmarkt und erledigt. Es gibt keine unterschiedlichen Perspektiven, keine Gespräche. Das Opfer nimmt das Gesicht des Tyrannen an, selbstgerecht und unnachgiebig, und Kriege gedeihen wie Ungeziefer. Und die Menschen sterben.«
    Brys musterte den Feuersturm, der das einhüllte, was einmal eine wunderbare Stadt gewesen war. Er kannte weder ihren Namen noch die Zivilisation, die sie hervorgebracht hatte, und es spielte – wie er schlagartig erschüttert feststellte – auch überhaupt keine Rolle.
    »In Eurer Welt«, sagte die Gestalt, »nähert sich die Prophezeiung ihrem Scheitelpunkt. Ein Imperator wird sich erheben. Ihr stammt aus einer Zivilisation, die Krieg als eine Erweiterung der Volkswirtschaft betrachtet. Aufgeschichtete Knochen werden zum Fundament Eurer Handelsstraßen, und Ihr seht nichts Widriges darin –«
    »Einige von uns schon.«
    »Das hat keinerlei Bedeutung. Die zermalmten Kulturen, die Ihr auf Eurem Weg zurückgelassen habt, sprechen eine deutliche Sprache. Ihr habt vor, die Tiste Edur zu unterwerfen. Ihr behauptet, jeder Fall sei anders, sei einzigartig, doch er ist weder anders noch einzigartig. Es ist immer das Gleiche. Eure militärische Macht beweist die Tugendhaftigkeit Eurer Sache. Aber ich sage Euch dies, Brys Beddict – so etwas wie Bestimmung gibt es nicht. Der Sieg ist nicht zwangsläufig. Der Feind lauert in Eurer Mitte. Und wartet. Euer Feind versteckt sich, ohne dass er sich tarnen muss, wenn Kampfeslust und die darin enthaltene Bedrohung dafür sorgen, dass Ihr den Blick abwendet. Er spricht Eure Sprache, benutzt Eure Worte und setzt sie gegen Euch ein. Er macht sich über Euren Glauben an Wahrheiten lustig, denn er hat sich selbst zum Herrn über jene Wahrheiten erhoben.«
    »In Lether herrscht keine Tyrannei –«
    »Ihr glaubt, dass der Geist Eurer Zivilisation von Eurem gütigen König verkörpert wird. Das wird er nicht. Euer König existiert, weil seine Existenz für zulässig erachtet wird. Ihr werdet von Gier regiert, einem monströsen Tyrannen, der vor Ruhm golden leuchtet. Er kann nicht besiegt werden – nur ausgelöscht.« Eine weitere Geste auf das brennende Chaos unter ihnen. »Das ist Eure einzige Hoffnung auf Erlösung, Brys Beddict. Denn Gier tötet sich selbst, wenn nichts mehr übrig ist, was gehortet werden könnte, wenn die Legionen von Arbeitern nur noch Knochen sind, wenn das schreckliche Gesicht des Hungers sich im Spiegel enthüllt.
    Der Gott ist gefallen. Und nun hockt er da und sät Verwüstung. Aufstieg und Fall, Aufstieg und Fall, und mit jeder Erneuerung verliert der lenkende Geist an Substanz, wird schwächer, ist enger an eine Vision gekettet, die bar jeder Hoffnung ist.«
    »Warum tut dieser Gott uns das an?«
    »Weil er nichts als Schmerz kennt und sich danach sehnt, ihn mit anderen zu teilen, ihn über alles zu bringen, was lebt, über alles, was existiert.«
    »Warum habt Ihr mir das hier gezeigt?«
    »Ich lasse Euch das Symbol Eures Todes betrachten, Brys Beddict.«
    »Warum?«
    Die Gestalt schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Ich habe Euch den Rat gegeben, keine Hoffnung von Euren Anführern zu erwarten, denn sie werden Euch mit nichts als Lügen füttern. Doch Hoffnung gibt es. Sucht nach ihr, Brys Beddict, in dem Menschen an Eurer Seite, in dem Fremden auf der anderen Straßenseite. Blickt weder zum Himmel noch zu Boden. Hoffnung überdauert, und ihre Stimme ist die Leidenschaft und der ehrliche Zweifel.«
    Die Szene begann zu verblassen.
    Die Gestalt an seiner Seite sprach ein letztes Mal: »Das ist alles, was ich Euch sagen werde. Alles, was ich Euch sagen kann.«
    Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er wieder vor dem Hügelgrab stand und dass um ihn herum heller Tag war. Kessel umklammerte noch immer mit ihren kalten Fingern seine Hand.
    »Wirst du mir jetzt helfen?«, fragte sie.
    »Davon hat der Bewohner des Grabs nichts gesagt.«
    »Das tut er nie.«
    »Er

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