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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sollten vielleicht hineingehen, oder?«
    Der Sekretär saß noch genauso da wie früher an diesem Tag und arbeitete an dem gleichen Hauptbuch – zumindest kam es Bagg so vor. Auch dieses Mal machte der Mann sich nicht die Mühe aufzublicken. »Ihr seid zu früh dran. Ich hatte erwartet, dass Ihr pünktlich seid.«
    »Wir sind nicht zu früh dran«, sagte Tehol.
    »Ach, seid Ihr das nicht?«
    »Nein, aber da die Glocke bereits ertönt, werden wir zu spät kommen, wenn Ihr uns noch lange aufhaltet.«
    »Mir kann man nicht die Schuld geben. Das konnte man auch während dieser ganzen lächerlichen Unterhaltung nicht. Die Treppe hoch bis ganz oben. Dort gibt es nur eine Tür. Klopft einmal und tretet dann ein – und dann möge der Abtrünnige Euch helfen. Ach, der Diener kann hier bleiben – vorausgesetzt, dass er mich nicht wieder in die Augen sticht.«
    »Er bleibt nicht hier.«
    »Tut er das nicht?«
    »Nein.«
    »Also schön. Geht mir aus den Augen, alle beide.«
    Tehol ging vorneweg am Schreibtisch vorbei, und dann begannen sie, die Treppe hochzusteigen.
    »Du hast ihm in die Augen gestochen?«, fragte Tehol.
    »Es schien mir dienlich, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Ich bin erfreut, allerdings auch ein wenig beunruhigt.«
    »Die Umstände erforderten außergewöhnliche Maßnahmen.«
    »Geschieht das häufig?«
    »Ich fürchte ja.«
    Sie erreichten den oberen Absatz. Tehol trat vor und klopfte an die Tür. Ein letzter Blick zurück zu Bagg, misstrauisch und abwägend, dann öffnete er die Tür. Sie traten in das Zimmer dahinter.
    In dem es von Ratten wimmelte. Sie bedeckten den Fußboden. Die Tischplatte. Sie turnten auf den Regalen und dem Kristalllüster herum. Sie hockten auf den Schultern und spähten aus den Falten der Kleidung der sechs Mitglieder des Ausschusses, die auf der anderen Seite des Tisches saßen.
    Tausende von Knopfaugen waren starr auf Tehol und Bagg gerichtet, auch die der drei Männer und drei Frauen, die das Herz der Rattenfängergilde darstellten.
    Tehol zog seine Hose hoch. »Ich danke Euch allen –«
    »Ihr seid Tehol Beddict«, unterbrach ihn eine Frau, die ganz außen links saß. Sie war größtenteils eine Ansammlung kugeliger Formen – Gesicht, Kopf, Oberkörper, Brüste –, und ihre Augen waren winzig und dunkel und glitzerten wie hart gewordener Teer. In ihrem hoch aufgetürmten, ausufernden schwarzen Haarschopf tummelten sich mindestens drei Ratten.
    »Und ich bin neugierig«, sagte Tehol lächelnd. »Was tun alle diese Ratten hier?«
    »Eine verrückte Frage«, bellte der Mann neben der rundlichen Frau. »Wir sind die Rattenfängergilde. Wo sollen wir die Ratten, die wir fangen, denn hintun?«
    »Ich dachte, Ihr würdet sie töten.«
    »Nur wenn sie sich weigern, ein Bekenntnis abzulegen«, sagte der Mann und unterstrich seine Worte aus unerfindlichen Gründen mit einem höhnischen Lächeln.
    »Ein Bekenntnis? Wie legen Ratten ein Bekenntnis ab?«
    »Das geht Euch nichts an«, sagte die Frau. »Ich bin Onyx. Neben mir sitzt Scint. Um angemessen vorzugehen – vor Euch sitzt Meisterfänger Ormly, dann kommen Glisten, Bubyrd und Ruby Tehol Beddict, dank Euch haben wir Verluste bei unseren Investitionen erlitten.«
    »Von denen Ihr Euch zweifellos erholt habt.«
    »Darum geht es nicht«, sagte die Frau namens Glisten. Sie war blond und schmächtig und so klein, dass nur ihr Kopf und ihre Schultern über die Tischplatte ragten. Immer wieder trippelten unzählige Ratten vor ihr hin und her, so dass sie ständig den Kopf bewegen musste, um Blickkontakt zu halten.
    »Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt«, sagte Tehol ruhig, »habt Ihr etwas weniger als eine halbe Spitze verloren.«
    »Woher wisst Ihr das?«, rief Scint. »Das weiß niemand außer uns!«
    »Ich kann Euch beruhigen – es war nur eine Vermutung. Jedenfalls wird es bei dem Kontrakt, den ich Euch anbiete, um die gleiche Summe gehen.«
    »Eine halbe Spitze?«
    Tehols Lächeln wurde breiter. »Oh, jetzt habe ich Eure uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Hervorragend.«
    »Das ist eine absurd große Summe«, meldete sich zum ersten Mal Ormly zu Wort. »Was sollen wir dafür tun – Kolanse erobern?«
    »Könntet Ihr das denn?«
    Ormly machte ein finsteres Gesicht. »Warum würdet Ihr das von uns wollen, Tehol Beddict?«
    »Es würde schwierig werden«, sagte Glisten besorgt. »Eine Belastung unserer menschlichen Ressourcen –«
    »Schwierig«, unterbrach sie Scint, »aber nicht unmöglich. Wir müssten Leute von

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