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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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»Er gehört mir«, sagte er mit gepresster Stimme.
    Trulls Augen weiteten sich. »Natürlich, Rhulad.«
    »Gut. Ja. Forcht, ich muss dir von Mayen erzählen.«
    Trull lehnte sich langsam zurück und betrachtete den Wein, der in dem Becher in seinen Händen hin und her schwappte. Er dachte an den Blick des Sklaven, an die Botschaft, die darin zu liegen schien. Es ist alles in Ordnung.
    »Ich habe sie vorhin nicht gesehen …«, sagte Forcht zögernd.
    »Genauso wenig wie unsere Mutter. Mayen hat sich unwohl gefühlt.« Rhulad warf Forcht einen nervösen Blick zu. »Es tut mir Leid, Bruder. Ich hätte das … Ich hätte das nicht tun sollen. Und jetzt, nun, es ist so …« Er trank seinen Kelch auf einen Zug leer. »Mehr Wein, Udinaas. Sag es ihm. Erkläre es ihm, Udinaas, so dass Forcht es versteht.«
    Der Sklave füllte den Becher wieder auf, trat dann einen Schritt zurück. »Sie trägt ein Kind unter dem Herzen«, sagte er und blickte dabei Forcht in die Augen. »Doch es gibt jetzt keinen Zweifel mehr daran, dass ihr Herz Euch gehört. Rhulad hätte sich gewünscht, dass es anders wäre. Jedenfalls am Anfang. Aber jetzt nicht mehr. Er versteht es jetzt. Aber das Kind … das hat die ganze Angelegenheit schwierig gemacht. Kompliziert.«
    Der Becher in Forchts Hand hatte sich nicht sichtbar bewegt, doch Trull konnte sehen, dass er kurz davor war, zur Seite wegzukippen, als wären Forchts Finger taub geworden und hätten alle Kraft verloren. »Mach weiter«, brachte Forcht hervor.
    »So einen Fall hat es noch nie gegeben, und es gibt dafür keine Regeln in Eurem Volk«, fasste Udinaas zusammen. »Rhulad würde seine Heirat mit ihr auflösen, er würde alles, was geschehen ist, ungeschehen machen. Doch nun ist da das Kind – versteht Ihr, Forcht Sengar?«
    »Dieses Kind wird der Thronfolger –«
    Rhulad unterbrach ihn mit einem rauen Lachen. »Es wird keinen Thronfolger geben, Forcht. Niemals. Verstehst du es denn nicht? Dieser Thron wird meine ewige Bürde sein.«
    Deine Bürde. Bei den Schwestern, was hat dich aufgeweckt, Rhulad? Wer hat dich aufgeweckt? Trull richtete den Blick wieder auf Udinaas und taumelte innerlich zurück, als er begriff. Udinaas? Dieser … dieser Sklave?
    Udinaas nickte, während er noch immer Forcht in die Augen schaute. »Der Krieger, der dieses Kind großzieht, wird in allen Dingen sein Vater sein – nur den Namen wird er ihm nicht geben. Es wird keine Täuschung geben. Alle werden es wissen. Wenn das ein Schandmal sein sollte –«
    »Werde ich damit umgehen müssen«, sagte Forcht. »Sollte ich mich entscheiden, neben Mayen zu stehen, die einst das Weib des Imperators war, mit einem Kind, das nicht das meine ist, um es als Erstgeborenes meines Weibes großzuziehen.«
    »Es ist so, wie Ihr sagt, Forcht Sengar«, bestätigte Udinaas. Dann trat er zurück.
    Trull richtete sich langsam auf, streckte einen Arm aus und rückte den Becher in Forchts Hand sanft wieder gerade. Überrascht schaute sein Bruder ihn an, dann nickte er. »Rhulad, was sagt Mutter zu alledem?«
    »Mayen hat sich selbst mit weißem Nektar bestraft. So eine … Abhängigkeit ist nicht leicht zu besiegen. Uruth tut alles, was in ihrer Macht steht …«
    Ein leises Stöhnen drang aus Forchts Kehle, während er die Augen schloss.
    Trull sah, wie Rhulad einen Arm ausstreckte, um Forcht zu berühren, sah, wie er zögerte, wie er ihm einen Blick zuwarf.
    Er nickte. Ja Jetzt.
    Eine kurze Berührung, die durch Forcht hindurchzuschießen schien und ihm die Augen aufriss.
    »Bruder«, sagte Rhulad, »es tut mir Leid.«
    Forcht musterte das Gesicht seines jüngsten Bruders und sagte dann: »Uns allen tut es Leid. So … vieles tut uns Leid. Was hat Uruth über das Kind gesagt? Geht es ihm gut?«
    »Körperlich ja, aber es … hat den gleichen Hunger wie seine Mutter. Es wird … schwierig werden. Ich weiß, dass du das alles nicht verdient hast, Forcht –«
    »Vielleicht, Rhulad. Aber ich werde die Bürde annehmen. Um Mayens willen. Und um deinetwillen.«
    Niemand sagte etwas. Das Schweigen zog sich einige Zeit hin. Sie tranken ihren Wein, und Trull schien es, als sei etwas gegenwärtig, ein Teil seines Lebens, von dem er gedacht hatte – nein, nicht dass er lange verschwunden, sondern dass er überhaupt niemals da gewesen sei. Sie saßen beieinander, alle drei. Und waren nichts weiter als Brüder.
    Draußen brach die Nacht herein. Udinaas brachte ihnen etwas zu essen und noch mehr Wein. Einige Zeit später stand Trull auf,

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