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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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königlichen Linie zustand, und blieben reglos wie Statuen stehen.
    Ezgara Diskanar stieg auf das Podest und drehte sich langsam um.
    Der Erste Eunuch trat vor, bis er direkt vor ihm stand, und hob das Kissen.
    Der König nahm die Krone und setzte sie sich auf den Kopf.
    »Von diesem Tag an«, sagte Nifadas, während er zurücktrat, »wird Lether von einem Imperator regiert.« Er drehte sich um. »Imperator Ezgara Diskanar.«
    Die Wachen senkten die Arme.
    Und das war’s dann auch schon.
    Ezgara setzte sich auf den Thron.
    Er sah alt und zerbrechlich und verloren aus.
     
    Die Fenster waren fest geschlossen. Unkraut überwucherte den Pfad, und Weinreben rankten üppig zu beiden Seiten der zum Eingang führenden Stufen die Wände hoch. Von der Straße hinter ihnen wehte der Geruch nach Rauch heran, und ein fernes Getöse von irgendwo im Kriecherviertel, jenseits des Trübsees, deutete darauf hin, dass der nächste Aufruhr schon im Gange war.
    Auf dem Weg vom Fischertor hierher hatten Seren Pedac und die Mitglieder der Karmesingarde ihre Pferde durch Straßen geführt, auf denen alles Mögliche herumlag. Spuren von Plünderungen, immer mal wieder eine Leiche, das tote Pferd eines Soldaten und Gestalten, die vor ihnen davonhuschten und eilig in Gässchen und Seitenstraßen verschwanden. Ausgebrannte Gebäude, ganze Meuten wilder Hunde, die vom verlassenen Ackerland und den Wäldern hierher gekommen waren, da und dort eng zusammengekauerte Flüchtlingsfamilien – die Stadt des Königs von Lether schien einer verkommenen Barbarei erlegen zu sein, obwohl der Feind sich noch viele Meilen jenseits des Horizonts befand.
    Sie war verblüfft, wie rasch alles in sich zusammengebrochen war, und sie hatte mehr als nur ein bisschen Angst. Trotz des Widerwillens und der Verachtung, die sie der Lebensweise ihres Volkes entgegenbrachte, war doch – tief in ihr vergraben – immer ein Glaube an seine angeborene Unverwüstlichkeit geblieben. Doch hier, direkt vor ihren Augen, lag der Beweis eines plötzlichen, umfassenden Zusammenbruchs. Habgier und Wildheit waren entfesselt, Angst und Panik brachten Brutalität und ruchlose Gleichgültigkeit zum Vorschein.
    Sie kamen an den Leichen von Bürgern vorbei, die lange gebraucht hatten, um zu sterben, und einfach auf der Straße liegen gelassen worden waren, während sie verbluteten.
    Weiter ging’s eine breite Prachtstraße in der Nähe des Kanals entlang, durch die erst vor kurzem der Mob gezogen war – vielleicht erst vor einem halben Tag. Es gab Hinweise darauf, dass Soldaten gegen die Aufrührer gekämpft und sich schließlich kämpfend zurückgezogen hatten. Die angrenzenden Gebäude und Anwesen waren verwüstet und geplündert worden. Die Straße war klebrig von Blut, und es gab Dutzende von Wagenspuren, was darauf hindeutete, dass zumindest die Stadtgarde hierher zurückgekommen war, um die Leichen zu bergen.
    Eisenhart und seine Leute sagten wenig, während sie durch die Straßen zogen, und nun, da sie vor ihrem Haus Halt gemacht hatten, blieben sie auf den Pferden sitzen, wachsam, die Hände an den Waffen.
    Seren stieg ab.
    Einen Augenblick später taten Eisenhart und Corlo es ihr nach.
    »Es sieht nicht so aus, als wäre eingebrochen worden«, sagte der Magier.
    »Wie ich gesagt habe«, erwiderte Seren. »Da drinnen gibt es nichts, das es wert wäre, mitgenommen zu werden.«
    »Das alles gefällt mir nicht«, murmelte der Bekenner. »Wenn Ärger an die Tür klopft, Freisprecherin …«
    »Das wird nicht geschehen«, erwiderte sie. »Diese Tumulte werden nicht mehr lange andauern. Je näher die Armee der Edur kommt, desto ruhiger wird es werden.«
    »In Trate war das aber nicht so.«
    »Das stimmt, aber hier wird es anders sein.«
    »Mir ist nicht klar, wie Ihr auf diese Idee kommt«, sagte Eisenhart kopfschüttelnd.
    »Geht und sucht Euer Schiff, Bekenner«, sagte Seren. Sie wandte sich an die anderen. »Ich danke Euch, Euch allen. Ich fühle mich geehrt, Euch kennen gelernt zu haben und in Eurer Gesellschaft gereist zu sein.«
    »Passt auf Euch auf, Schätzchen«, sagte Corlo.
    Sie legte dem Magier eine Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen, sagte aber nichts.
    Er nickte. »Geht vorsichtig damit um.«
    »Ihr habt es gehört?«
    »Das habe ich. Und ich habe auch die Kopfschmerzen als Beweis.«
    »Tut mir Leid.«
    »Vergesst es nicht, Seren Pedac: Mockra ist ein heikles Gewirr.«
    »Ich werde mich bemühen.« Sie blickte Eisenhart an.
    »Wenn ich unseren

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