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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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dampfende Erde. Er tauchte mit einem durchdringenden, echsenhaften Schrei vorwärts – hinein in die heiße Dunkelheit, hinunter, scharrend, kratzend –, befreite sich vom Fleisch des Sterblichen, von dem Körper, den der Wyrm so lange benutzt hatte, der Körper, in dem er sich versteckt gehalten hatte – befreite sich schließlich, mächtig, geschuppt und mit öliger Haut, und grub seine Krallen in die Erde -
     
    Kessel kreischte auf, als die Kreatur – geflügelt und so groß wie ein Ochse – auf allen vieren an ihr vorbeiraste. Ein lautes Platschen; Wasser spritzte in einer breiten Fontäne in die Höhe, die höher und höher wuchs und dann wieder in den jetzt aufgewühlten Teich zurückprasselte. Schaum, ein sich schlängelnder, purpurroter Schwanz, der in die Tiefe glitt und in dem wirbelnden Mahlstrom verschwand.
    Plötzlich hörte sie hinter ihrem Rücken ein dumpfes Klatschen und wirbelte auf dem glitschigen Schlamm am Ufer herum, hatte dabei noch immer die beiden Schwerter in der Hand - und sah einen übel zugerichteten menschlichen Körper, einen Mann, der mit dem Gesicht nach unten dalag. Die zerschmetterten Enden langer Knochen ragten aus seinen Armen und Beinen, und Blut strömte pulsierend aus zerfetzten Adern. Und auf ihm ließ sich nun ein Gespenst nieder, sank auf ihn herab wie ein Schatten, der zu dem verdrehten Körper unter ihm passte. Ein schattenhaftes Gesicht wandte sich Kessel zu, und sie hörte gekrächzte Worte -
    »Kind, wir brauchen deine Hilfe.«
    Sie warf einen Blick zurück über die Schulter – die Wasseroberfläche des Teichs beruhigte sich allmählich wieder. »Oh, was soll ich denn tun? Es läuft alles falsch –«
    »Nicht so falsch wie du glaubst. Dieser Mann hier, dieser Letherii – hilf ihm. Er stirbt. Ich kann ihn nicht mehr lange zusammenhalten. Er stirbt, und er hat es nicht verdient zu sterben.«
    Sie kroch ein bisschen näher zu den beiden. »Was kann ich tun?«
    »Das Blut in dir, Kind. Nur ein, zwei Tropfen, nicht mehr. Das Blut, mein Kind, das dich ins Leben zurückgebracht hat. Bitte …«
    »Du bist ein Geist. Warum willst du, dass ich das für ihn tue  – und nicht für dich?«
    Die roten Augen des Gespensts zogen sich zusammen, als es sie musterte. »Führe mich nicht in Versuchung.«
    Kessel blickte auf die Schwerter in ihren Händen. Dann legte sie eines auf den Boden und drückte die freie Hand gegen die zweite, glänzende blaue Klinge. Sie ließ ihre Handfläche ein Stück die Schneide entlanggleiten, hob sie dann und betrachtete das Ergebnis. Ein langer blutiger Strich, ein tiefer, sauberer Schnitt. »Oh, es ist scharf.«
    »Komm her, dreh ihn auf den Rücken. Und dann leg deine verletzte Hand auf seine Brust.«
    Kessel schob sich vorwärts.
     
    Ein Hieb hatte ihm den linken Arm gebrochen, und als Eisenhart zur Seite auswich und mitten zwischen die brüllenden Seregahl sprang, sandte der Schmerz grellweiße Blitze durch seinen Schädel. Halb blind schwang er sein mitgenommenes, tief eingekerbtes Schwert nur noch instinktiv, parierte einen Hieb nach dem anderen – er musste sich unbedingt einen Augenblick freimachen, brauchte ein paar Herzschläge, um sich zu erholen, um gegen den Schmerz anzugehen -
    Doch diese Zeit hatte er nicht mehr. Ein weiterer Hieb überwand seine Deckung, und die merkwürdige hölzerne Klinge glitt so leicht in seine linke Hüfte, als wäre ihre Schneide aus Glas. Das Bein auf dieser Seite gab unter der beißenden Wunde nach. Er blickte auf, aus Augen, in die der Schweiß rann, und sah, dass der einäugige Seregahl direkt über ihm aufragte, die Zähne triumphierend gebleckt.
    Dann krachte dem Gott ein Baumstamm gegen den Schädel. Traf ihn so hart an der linken Schläfe, dass der Kopf nach rechts schnellte und von der gegenüberliegenden Schulter abprallte. Das Grinsen erstarrte, und der Toblakai begann zu taumeln. Ein zweiter Hieb traf ihn, dieses Mal von hinten, krachte so hart gegen seinen Hinterkopf, dass der Baumstamm in einem Schauer aus Splittern zerbarst. Der Gott beugte sich nach vorn -
    - und im gleichen Augenblick traf ihn ein Knie in die Leiste  – und Unterarme hämmerten gegen seinen Rücken, trieben ihn weiter nach unten, und das Knie kam erneut hoch und knallte dem Gott mitten ins Gesicht. Das Grinsen war jetzt, wie Eisenhart gut erkennen konnte, vollständig ausradiert.
    Einen Augenblick, bevor der Toblakai auf ihm landete, rollte der Bekenner sich zur Seite. Er rollte und rollte, kam schließlich taumelnd

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