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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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schmutzigen Tatsachen vergangener Fehleinschätzungen ebenso missachten ließ wie die schrecklichen, brutalen Debakel, die die Hände ihrer Vorväter blutrot gefärbt hatten. Ein Gift, das die Dummheit zweifelhafter Traditionen festigte und Elend und Leid über zahllose Opfer brachte.
    Dann also Macht. Genau die gleiche Macht, derer wir uns gerade bemächtigen. Oh Schwestern, habt Erbarmen mit unserem Volk.
    Der Imperator der Tiste Edur stand vor dem prächtigen Eingang zum Ewigen Domizil, das gefleckte Schwert in seiner rechten, glänzenden Hand. Das staubige Bärenfell umhüllte Schultern, die unter der Last des Goldes enorm breit geworden waren. Alte Blutflecken malten Landkarten auf seinen Rücken, als würde er die Welt neu zeichnen. Seine Haare waren mittlerweile lang, zerzaust und schwer von öligem Schmutz.
    Trull stand hinter Rhulad und konnte daher die Augen seines Bruders nicht sehen. Doch er wusste, wenn er jetzt in sie hineinschaute, würde er in ihnen das Schicksal erkennen, das er fürchtete – er würde das Gift ungehindert kreisen sehen, und er würde den Wahnsinn sehen, der aus Verrat erwachsen war.
    Es hätte nur so wenig bedurft, wie er wusste. Die ausgestreckten Arme eines unauffälligen Sklaven mit traurigen Augen, seine Hände, die zupackten, Rhulad aufrichteten, ihn zurück in die geistige Gesundheit führten. Nur das, nichts weiter.
    Rhulad drehte sich um und blickte sie an. »Die Tür ist nicht verriegelt.«
    »Da drinnen wartet jemand, Höherer«, sagte Hannan Mosag. »Ich spüre … etwas.«
    »Was willst du von uns, Hexenkönig?«
    »Erlaube mir und meinen K’risnan, das Gebäude als Erste zu betreten, damit wir herausfinden können, was uns da drinnen … im Korridor erwartet …«
    Rhulads Augen verengten sich kurz, dann gab er ihnen mit einem Wink zu verstehen, dass er einverstanden war. »Forcht, Trull, Binadas, kommt zu uns«, fügte er hinzu. »Wir werden gleich nach ihnen hineingehen.«
    Mit Hannan Mosag an der Spitze, dicht gefolgt von den K’risnan und den Sklaven, die die beiden Säcke hinter sich herschleppten, und dahinter wiederum Rhulad und seine Brüder, näherten sich die Edur der Tür zum Ewigen Domizil.
     
    Brys Beddict, der direkt vor dem Eingang zum Thronsaal stand, bemerkte weiter vorn im Korridor – aber diesseits der reglosen Gestalt des Ceda – eine Bewegung. Der Kämpe griff nach seinem Schwert, ließ die Hand jedoch wieder sinken, als Turudal Brizad, der Erste Galan, aus den Schatten auftauchte; er kam unbekümmert näher, und sein Gesichtsausdruck war gelassen.
    »Ich habe nicht erwartet, Euch noch einmal zu sehen, Erster Galan«, sagte Brys mit gedämpfter Stimme.
    Turudals sanfter Blick ging jetzt an Brys vorbei, richtete sich auf den Thronsaal in seinem Rücken. »Wer wartet da drin, Kämpe?«
    »Der König, seine Konkubine. Der Erste Eunuch und der Kanzler. Und sechs meiner Männer.«
    Turudal nickte. »Nun, wir werden nicht mehr allzu lange warten müssen. Die Tiste Edur sind nur wenige Augenblicke hinter mir.«
    »Wie steht es um die Stadt?«
    »Es hat Kämpfe gegeben, Brys Beddict. Loyale Soldaten liegen tot in den Straßen. Unter ihnen auch Moroch Nevath.«
    »Und was ist mit Gerun Eberict?«
    Turudal legte den Kopf leicht schräg, runzelte die Stirn. »Er verfolgt … eine Frau.«
    Brys musterte den Mann, der da vor ihm stand. »Wer seid Ihr, Turudal Brizad?«
    Die Blicke der beiden Männer trafen sich. »Heute? Nur ein Zeuge. Schließlich ist heute der Tag der Siebten Schließung. Ein Ende … und ein neuer Anfang –«
    Brys hob eine Hand, um den Ersten Galan zum Schweigen zu bringen, und machte dann einen Schritt an ihm vorbei.
    In der Eingangshalle weiter vorn rührte sich der Ceda. Er stand langsam auf, zupfte sein schmutziges, zerknittertes Gewand zurecht, hob die Linsen vors Gesicht und setzte sie auf.
    Turudal Brizad drehte sich nun ebenfalls um. »Oh ja.«
    Zwischen den offen stehenden Flügeln der Eingangstür waren die Umrisse großer Gestalten aufgetaucht.
    »Der Ceda …«
    »Er hat sich bis jetzt sehr gut gehalten.«
    Brys warf dem Ersten Galan einen verblüfften Blick zu. »Was meint Ihr damit? Er hat doch … gar nichts getan.«
    Augenbrauen wanderten in die Höhe. »Nichts? Er hat den Meeresgott ausgelöscht, den Dämon, den Hannan Mosag an sich gebunden hatte. Und er hat sich seit Tagen auf diesen Augenblick vorbereitet. Seht Ihr, wo er steht? Seht Ihr die Fliese, die er unter sich gemalt hat? Eine Fliese, durch die alle Macht

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