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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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konnte nicht erkennen, was er in ihnen sah. Forcht schüttelte ihn erneut, schubste ihn dann an der Wand entlang, in die alles umfassende Hitze der Zauberei, die auf Hannan Mosag einschlug, und weiter hinter eine bröckelige Säule, die einmal aus festem Marmor bestanden hatte.
    In kühlen Schatten. Absurd kühlen Schatten. Trull stolperte vorwärts, als sein Bruder ihm einen letzten Stoß verpasste. Er stieß gegen eine verzogene, mit Riefen versehene Mauer – und konnte jetzt den Ceda sehen. Keine sieben Schritt entfernt. Den Kopf hoch erhoben, beobachtete er seinen Angriff auf die schwächer werdende Verteidigung des Hexenkönigs.
    Tränen ließen alles vor Trulls Augen verschwimmen. Er wollte das nicht tun. Aber sie werden uns alle töten. Alle. Sie werden keinen einzigen Tiste Edur am Leben lassen. Ich weiß es. Tief in meinem Herzen weiß ich es. Sie werden sich unser Land nehmen, unsere Reichtümer. Sie werden Salz auf unsere Begräbnisstätten streuen. Sie werden uns in die vergessenen Welten der Geschichtsschreibung fegen. Ich …, ich weiß es.
    Er hob den Speer, balancierte ihn in seiner rechten Hand. Stand für einen Augenblick ganz still, mit angehaltenem Atem  – dann zwei schnelle Schritte, der Arm zuckte vor, die Waffe flog gerade und zuverlässig.
    Sie traf den Ceda in die Seite, knapp unter seinen linken Rippen, und ihr Gewicht und der Schwung, den Trull ihr verliehen hatte, ließen die Spitze tief eindringen.
    Der Ceda wurde vom Aufprall herumgewirbelt, sein linkes Bein gab nach, er stürzte – weg von der bemalten Fliese -
    - die plötzlich zerbarst.
    Das weiße Feuer verschwand, und Dunkelheit wogte von allen Seiten heran.
     
    Betäubt machte Brys einen Schritt nach vorn -
    - und wurde von Turudal Brizads Hand aufgehalten. »Nein, Kämpe. Er ist fort.«
    Der Ceda. Kuru Qan. Mein Freund …
     
    Kessel hockte im Schlamm, starrte auf das Gesicht des Mannes hinunter. Es schien ein freundliches Gesicht zu sein, vor allem, wenn er schlief und die Augen geschlossen hatte. Die Narben überall auf seinem schlanken, gebräunten Körper verblassten. Ihr Blut hatte das getan. Sie war einst tot gewesen, und jetzt hatte sie Leben geschenkt.
    »Du bist ein merkwürdiges Kind«, flüsterte das Gespenst, das am Ufer kauerte.
    »Ich bin Kessel.«
    Ein Grunzen, das ein Lachen sein sollte. »Und ich frage mich, was in dir brodelt?«
    »Du bist mehr als einfach nur ein Geist«, sagte sie.
    »Ja.« Das klang erheitert. »Ich bin Verblichener. Ein guter Name, meinst du nicht auch? Einst, vor langer, langer Zeit, war ich ein Tiste Andii. Ich wurde ermordet, zusammen mit allen meinen Verwandten. Nun, das heißt mit denjenigen von uns, die die Schlacht überlebt hatten.«
    »Warum bist du hier, Verblichener?«
    »Ich warte auf meinen Lord, Kessel.« Das Gespenst stand plötzlich auf – sie hatte vorher nicht gesehen, wie groß es war. »Und jetzt … kommt er.«
    Ein Aufwirbeln von schlammigem Wasser, und eine ausgemergelte Gestalt erschien, weißhäutig wie ein blutleerer Leichnam, mit langen, hellen Haaren, die an dem schmalen Gesicht klebten. Der Mann hustete, zog sich aus dem Wasser, kroch ans Ufer.
    »Die Schwerter«, keuchte er.
    Kessel eilte zu ihm und schob ihm die Waffen in die langfingrigen Hände. Er nutzte sie, mit der Spitze nach unten, um aufzustehen. Sie sah, wie groß er war – größer als selbst das Gespenst  – und wich zurück. Und er hatte kalte, so kalte, tiefrote Augen. »Du hast gesagt, du würdest uns helfen«, sagte sie und duckte sich unter seinem Blick.
    »Helfen?«
    Das Gespenst sank vor seinem Lord auf die Knie. »Silchas Ruin, ich war einst Killanthir, Dritter Hohemagier der Sechsten Kohorte –«
    »Ich erinnere mich an dich, Killanthir.«
    »Ich habe einen neuen Namen angenommen, mein Lord – ich heiße jetzt Verblichener.«
    »Wie du willst.«
    Das Gespenst blickte auf. »Wo ist der Wyrm?«
    »Ich fürchte, er wird nicht überleben, aber er sorgt dafür, dass sie beschäftigt ist. Ein edles Tier.«
    »Bitte«, wimmerte Kessel, »sie sind draußen. Sie wollen mich töten – du hast versprochen –«
    »Mein Lord«, sagte Verblichener, »ich möchte dem Wyrm helfen. Zusammen schaffen wir es vielleicht, sie in die Tiefe zu treiben. Sie möglicherweise sogar wieder zu binden. Wenn Ihr mir die Erlaubnis geben würdet …«
    Silchas Ruin schwieg einen Augenblick und starrte auf das kniende Gespenst hinunter. Dann sagte er: »Wie du willst.«
    Verblichener verbeugte sich, warf Kessel

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