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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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solche Fragen. Ich muss jetzt aufbrechen, um Buruk den Bleichen zurück nach Trate zu geleiten.«
    Jedes ihrer Worte war wie ein Drehen des Messers, obwohl sie harmlos klangen. Er konnte nicht verstehen, wie diese Worte  – und der Blick in ihren Augen – ihn so tief verletzen konnten, und er wollte laut aufschreien. Wollte alles leugnen. Alles gestehen. Stattdessen zerriss er das Band jener gefühlsmäßigen Verbindung zwischen ihnen mit einem vernichtenden Schulterzucken endgültig. »Gute Reise, Freisprecherin.« Mehr sagte er nicht, und er wusste, dass er ein Feigling war.
    Er sah ihr nach, als sie davonging. Dachte dabei ebenso sehr über die Reise seines Lebens nach wie über die der Freisprecherin, über die Stolpersteine, die sich offenbarten, ohne Bewusstsein für ihr Potenzial an Weisheit. Das Gleichgewicht war zurückgewonnen, doch der Pfad hatte sich verändert.
    So viele Entscheidungen erwiesen sich als unwiderruflich. Trull fragte sich, ob das auch bei dieser der Fall sein würde.

Kapitel Drei
     
    Wo ist die Dunkelheit
    Der vergangenen Tage
    Als die Sonne alles
    In göttliches Licht tauchte
    Und wir in unserem jugendlichen Aufstieg
    Zu strahlendem Glanz poliert wurden
    Begeisterte Schreie und
    Fernes Gelächter
    Getragen auf dem güldenen Strom
    Von Tagen, die nicht innehielten
    Denn unsterbliches Feuer
    Brannte durch die Schatten jeder Nacht
    Wo also ist die Dunkelheit
    Beim Tod der Sonne angekommen
    Kriechend und tief
    Um grollend Enthüllungen hervorzustoßen
    Über den brennenden Abstieg
    Der uns nach unten zieht
    Zu diesem Augenblick.
     
    Unsterbliches Feuer
    Fisher kel Tath
     
    E
    ine Stimme erklang in der Dunkelheit. »Ich würde diese Straße lieber nicht entlanggehen, alter Mann.« Bagg blickte zur Seite. »Ich danke dir für die Warnung«, sagte er und ging weiter.
    Nachdem er zehn Schritte in die schmale Gasse vorgedrungen war, konnte er Blut riechen. Leise Geräusche verrieten ihm, dass der Wächter sich hinter ihm in Bewegung gesetzt hatte, vermutlich, um seinen Rückzugsweg zu blockieren.
    »Ich habe dich gewarnt.«
    »Ich bin derjenige, nach dem ihr geschickt habt«, sagte Bagg.
    Vier weitere Gestalten tauchten aus dem Dämmerlicht vor ihm auf, allesamt Halsabschneider. Sie sahen verängstigt aus.
    Der Wächter kam um Bagg herum und trat nah an ihn heran, um ihm ins Gesicht zu spähen. »Du bist der Wartende Mann? Ich hatte mir dich ganz anders vorgestellt.«
    »Was ist hier geschehen? Wer ist der Tote, und wer hat ihn getötet?«
    »Nicht ›wer‹ hat ihn getötet«, murmelte einer der vier Männer, die vor Bagg standen, »sondern eher ›was‹. Und wir wissen’s nicht. Wir wissen nur, dass es groß war, mit einer Haut so schwarz wie Kanalwasser und Dornen an den Armen. Und mit Augen wie eine Schlange – grau und glänzend.«
    Bagg schnüffelte in der Luft, versuchte, über den Blutgeruch hinaus noch etwas anderes auszumachen.
    »Es hat den Starken Rall in Stücke gerissen, ja, das hat es, und dann ist es da reingegangen.« Der Diener blickte in die Richtung, in die der Mann deutete. Ein baufälliger Tempel, der an einer Ecke in sich zusammengesunken war, so dass das spitze Dach sich hart zur Seite neigte. Bagg grunzte. »Das war der letzte Tempel der Angelpunkte, oder?«
    »Das darfst du uns nicht fragen.«
    »Dieser Kult ist seit mindestens hundert Jahren tot«, fuhr der Diener fort, während er finster zu dem heruntergekommenen Bauwerk hinüberblickte. Einst hatte sich der breite, gähnende Eingang, dessen Sturz von einem einzigen Stein gebildet wurde, drei Stufen über dem Straßenniveau befunden. Damals, als diese Gasse noch eine Straße gewesen war. Bagg konnte gerade noch die rechte Ecke der obersten Stufe ausmachen. Drinnen schien ein Haufen Unrat herumzuliegen, der erst vor kurzem aufgewirbelt worden war. Er warf den fünf Schlägern einen Blick zu.
    »Was habt ihr eigentlich vorgehabt – warum habt ihr euch hier herumgedrückt?«
    Sie wechselten Blicke, dann zuckte einer von ihnen die Schultern. »Wir haben uns versteckt.«
    »Versteckt?«
    »Dieses kleine Mädchen … nun … äh …«
    »Oh. Richtig.« Bagg musterte den Eingang erneut.
    »Immer langsam, alter Mann«, sagte der Schläger. »Du wirst doch wohl nicht da reingehen wollen?«
    »Nun, warum sonst habt ihr nach mir geschickt?«
    »Wir haben erwartet, dass du … äh, dass du die Stadtwache holst oder so was. Vielleicht auch einen Magier oder drei.«
    »Es ist gut möglich, dass ich das noch tue. Doch

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