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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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zuerst einmal ist es besser zu wissen, womit wir es zu tun haben.« Dann kletterte Bagg in den verfallenen Tempel. Schwere, feuchte Luft und unergründliche Dunkelheit. Der Geruch nach frisch aufgewühlter Erde. Und dann, ganz schwach, Atemgeräusche. Langsames, tiefes Atmen. Der Diener starrte dorthin, wo das Geräusch herkam. »Schon gut«, murmelte er, »es ist einige Zeit her, seit du das letzte Mal Nachtluft geatmet hast. Aber das gibt dir nicht das Recht, einen unglücklichen Sterblichen zu töten, oder?«
    Eine ungeschlachte Gestalt bewegte sich in der Nähe der Rückwand zu einer Seite. »Tu mir nicht weh. Ich gehe nicht zurück. Sie töten alle.«
    Bagg seufzte. »Du musst dir schon ein bisschen mehr einfallen lassen.«
    Die Gestalt schien auseinander zu brechen, und der Diener sah Bewegung, die sich auffächerte. Mindestens sechs neue, kleinere Gestalten, alle niedrig und lang. Von überall entlang der Rückwand starrten ihn Reptilienaugen an.
    »Deshalb hast du dir also diesen Tempel ausgesucht«, sagte Bagg. »Deine Gläubigen sind leider schon lange dahin.«
    »Das denkst du vielleicht.« Diesmal antworteten ein halbes Dutzend Stimmen, ein leiser Chor. »Aber du irrst dich.«
    »Warum hast du den Sterblichen getötet?«
    »Er hat den Eingang versperrt.«
    »Und jetzt, wo du hier bist …«
    »Werde ich warten.«
    Bagg dachte darüber nach, und auch über die Dinge, die unausgesprochen in dieser Feststellung mitschwangen. Er runzelte langsam die Stirn. »Also gut. Aber keine weiteren Morde mehr. Bleib hier drin.«
    »Ich stimme diesem Vorschlag zu. Fürs Erste.«
    »Bis das, worauf du wartest … eintrifft.«
    »Ja. Dann werden wir jagen.«
    Bagg drehte sich um. »Das glaubt ihr«, murmelte er leise vor sich hin.
    Er kehrte in die Gasse zurück. Musterte im Zwielicht die fünf entsetzten Gesichter. »Macht überall bekannt, dass niemand diesen Tempel betreten darf.«
    »Das war alles? Was ist mit den Wachen? Und den Magiern? Was ist mit dem Starken Rall?«
    »Nun, wenn ihr Rache nehmen wollt, schlage ich vor, dass ihr euch erstmal ein paar tausend Freunde sucht. Irgendwann wird der Tag der Abrechnung schon noch kommen.«
    Der Wächter schnaubte. »Der Wartende Mann will, dass wir warten.«
    Bagg zuckte die Schultern. »Das ist das Beste, was ich tun kann. Um das Biest da drinnen zu vertreiben, müsste schon der Ceda höchstpersönlich herkommen.«
    »Dann schick nach ihm!«
    »Ich fürchte, über diese Art von Einfluss verfüge ich nicht. Und jetzt geht nach Hause, alle.«
    Bagg ging an ihnen vorbei und marschierte weiter in die Gasse hinein. Die Dinge wurden ganz eindeutig kompliziert. Und das war nie gut. Er fragte sich, wie viele Kreaturen noch den Hügelgräbern entflohen waren. Nach den Worten der Meute nicht viele. Was eine Erleichterung war.
    Dennoch kam er zu dem Schluss, dass er vielleicht besser selbst einmal nachsehen sollte. Das Treffen, das vor ihm lag, würde dann eben noch ein bisschen länger warten müssen. Er würde deswegen natürlich einiges zu hören bekommen, aber daran war nichts zu ändern. Die Siebte Schließung entwickelte sich in eine Richtung, die ereignisreich zu werden versprach. Er fragte sich, ob die Prophezeiung von der Wiedergeburt des Imperiums auf irgendeine Weise mit dem Tod des Azath-Turms verknüpft war. Und hoffte, dass dem nicht so war.
    Die Nacht war überraschend ruhig. Von der Menschenmenge, die üblicherweise auftauchte, wenn die Hitze des Tages vorüber war, war so gut wie nichts zu sehen. Bagg ging am Quillas-Kanal entlang, bis das Ewige Domizil in Sichtweite kam. Nun, erinnerte er sich, zumindest das war ein Erfolg gewesen. Der Königliche Ingenieur, der passenderweise Grum hieß, hatte höchst widerwillig und neidisch grummelnd einen königlichen Kontrakt überbracht, in dem festgelegt wurde, dass Baggs Bauunternehmen das Abstützen der beschädigten Flügel des neuen Palasts übernehmen sollte. Er war noch weniger begeistert gewesen, als Bagg den alten Arbeitsgruppen befohlen hatte, ihren Arbeitsplatz zu räumen und ihre Ausrüstung mitzunehmen. Den größten Teil des folgenden Tages hatte Bagg dann damit verbracht, in überfluteten Tunneln herumzustapfen, um ein Gefühl für das Ausmaß der Aufgabe zu bekommen, die vor ihm lag.
    Genau wie Tehol es vorausgesagt hatte, stieg der Wert von Baggs bescheidenem Unternehmen an der Burse, und zwar mit erschreckender Geschwindigkeit. Da die Liste der Anteile geschlossen war, war es Bagg gelungen,

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