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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die aller anderen Edur, die Trull bisher gesehen hatte. Farblose Streifen durchzogen seine langen, nicht zusammengebundenen Haare. Schattengespenster schwärmten um ihn herum – noch etwas, das diesen Krieger einzigartig machte. »Anführer«, erwiderte er.
    »Gib den Sergeanten Bescheid, dass wir aufbrechen. Kleinstes Gepäck – wir müssen schnell reisen.«
    »Schon geschehen. Wir haben nur auf dich gewartet.«
    Trull ging zu seiner eigenen Ausrüstung, schulterte den kleinen ledernen Packsack und nahm sich vier Speere aus seinem Vorrat. Alles, was sie jetzt zurückließen, würde von Letherii-Sklaven eingesammelt und vom Hauptteil der Armee mitgenommen werden, wenn der sich im Kielwasser von Trulls Kompanie und Hanradis Streitmacht vorsichtig südwärts bewegte.
    Als er sich umdrehte, sah er, dass alle seine Männer auf den Beinen waren und ihn anblickten. »Wir müssen uns beeilen, Krieger. Zum südlichen Ende der Brücke. Sobald wir den Pass hinter uns haben, schickt jeder Trupp einen Kundschafter aus und sucht sich abseits des Pfades einen eigenen Weg hinunter zur Brücke. Deshalb müsst ihr ebenso schnell wie leise sein.«
    Ein Sergeant ergriff das Wort. »Anführer, wenn wir den Pfad verlassen, werden wir langsamer vorankommen.«
    »Dann sollten wir am besten machen, dass wir loskommen.«
    »Anführer«, setzte der Sergeant beharrlich nach, »wir werden nicht so schnell –«
    »Ich traue dem Pfad auf der anderen Seite des Passes nicht, Canarth. Und jetzt bewegt euch.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, verfluchte er sich im Stillen. Ein Anführer brauchte seine Entscheidungen nicht zu begründen. Der Befehl an sich genügte. Allerdings, führte er stumm den Gedanken weiter, war es auch nicht üblich, dass ein Sergeant die Befehle seines Anführers in aller Öffentlichkeit in Frage stellte. Das war kein besonders guter Anfang.
    Ein Trupp als Vorhut, gefolgt von Trull, dann die übrigen Trupps, während Ahlrada die Nachhut übernahm – so setzte sich die Kompanie in gleichmäßigem Tempo in Richtung des Passes in Bewegung. Schnell ließen sie das Lager hinter sich und huschten in einer für sie freigemachten Gasse an Hanradi Khalags Streitkräften vorbei.
    Trull fand Freude und Erleichterung an dem Tempo, das sie vorlegten. Der Geist konnte sich in dem gleichmäßigen Rhythmus verlieren, und mit jedem Schritt glitt der Wald an ihnen vorbei; die Bäume wurden immer krüppeliger, der Bestand immer lichter, je mehr sie sich dem Scheitelpunkt näherten, während die Sonne am wolkenlosen Himmel hoch über ihnen immer höher kletterte.
    Am späten Vormittag machten sie am Südende des Passes Halt. Trull stellte zufrieden fest, dass keiner seiner Krieger außer Atem war; ganz im Gegenteil, sie holten langsam und tief Luft, um ihren Herzschlag zu verlangsamen. Die Anstrengung und die Hitze sorgten dafür, dass sie alle schweißgebadet waren. Sie tranken ein wenig Wasser und nahmen dann eine kleine Mahlzeit aus getrocknetem Lachs und mit Pinienkernpaste gefüllten Brotrollen zu sich.
    Ausgeruht und gestärkt formierten die Krieger sich zu ihren Trupps und schlugen sich ohne ein weiteres Wort in den kümmerlichen Wald beidseits des Pfades.
    Trull beschloss, sich dem von Canarth geführten Trupp anzuschließen. Sie drangen etwa dreißig Schritt weit in den Wald auf der westlichen Seite des Pfades vor und begannen dann mit dem langsamen, leisen Abstieg. Der nächste Trupp war vielleicht fünfzehn Schritt weiter westlich, während ein dritter sich in der Mitte zwischen den beiden befand, aber dreißig Schritt zurücklag. Auf der östlichen Seite war ein identisches Muster gebildet worden.
    Sergeant Canarth zeigte seine Missbilligung des Plans deutlich, indem er sich immer weiter nach vorn schob, bis er dem Krieger an der Spitze schier auf die Fersen trat. Trull wollte ihn zurückwinken, doch Canarth tat so, als wäre er gar nicht da.
    Dann, als sie den Hang zur Hälfte hinter sich hatten, machte der vorderste Mann plötzlich Halt und kauerte sich hin, hielt eine Hand warnend nach hinten, um Canarth zum Stehen zu bringen.
    Auch Trull und die anderen hörten auf, sich zu bewegen. Der Wald war im Verlauf ihres Abstiegs wieder dichter geworden, eine Armee geschwärzter Pinienstämme ließ die Sichtweite auf gerade mal fünfzehn Schritt schrumpfen. Es gab nur wenig Unterholz, doch moosüberwucherte Felsblöcke und umgestürzte, vermodernde Baumstämme machten den Hang uneben und tückisch. Ein Blick nach rechts zeigte

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