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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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viel, aber doch, ja …«
    »War da irgendein Geräusch?«
    »Eines, das ich mehr gespürt als gehört habe, Anführer. Als ob etwas Großes, das darunter begraben liegt, sich … auch bewegt hätte.«
    Trull starrte auf den Stein hinunter, strich mit den Fingerspitzen über die eingravierten Buchstaben. »Kennst du die Sprache?«
    Ahlrada zuckte die Schultern und blickte weg. »Wir sollten weiter den Hang hinuntermarschieren, Anführer.«
    »Du hast solche Schriftzeichen schon einmal gesehen.«
    »Ja, aber nicht … in Stein eingraviert. In Eis. Es spielt keine Rolle.«
    »In Eis?«
    »Ich habe einst bei den Den-Ratha an der Nordküste gelebt und mit ihnen gejagt. Im Norden und Osten, tief in den Eismeeren. Vor der Vereinigung. Da war eine Mauer, die mit solchen Schriftzeichen bedeckt war, ein Eisberg, der uns den Weg versperrte. Zwanzig Mannshöhen hoch, eineinhalb Meilen breit. Aber er ist ins Meer gesunken – ein Jahr später war er nicht mehr da.«
    Trull wusste, dass Ahlrada – genau wie Binadas – weite Reisen unternommen hatte, dass er Blutsbrüderschaft mit vielen Edur aus rivalisierenden Stämmen geschlossen hatte. Und dass er sich, genau wie Trull selbst, den Unterwerfungskriegen, die Hannan Mosag geführt hatte, widersetzt hatte. Wenn man das alles berücksichtigte, hätten sie eigentlich Freunde sein müssen, wurde ihm plötzlich klar. »Was haben deine Kameraden, die Den-Ratha, darüber gesagt?«
    »Sie haben gesagt, dass Der-Mann-mit-den-Hauern sie geschrieben hat.« Er zuckte erneut die Schultern. »Es ist nichts. Ein Mythos.«
    »Ein Mann mit Hauern?«
    »Er ist … gesehen worden. Über viele Generationen hinweg, immer mal wieder. Grüne oder graue Haut. Hauer so weiß wie Walknochen. Immer im Norden, und immer hat er auf Schnee oder Eis gestanden. Anführer, dies ist nicht der rechte Zeitpunkt …«
    Trull seufzte und nickte dann. »Schick die Trupps hinunter.«
    Kurze Zeit später meldete Canarth, er würde verwesendes Fleisch riechen.
    Aber es war nur eine tote Eule, die neben dem Pfad lag.
     
    Es waren dunkle Zeiten für die Letherii, damals, vor langer, langer Zeit. Das Erste Imperium hatte große Flotten ausgeschickt, um die Welt zu kartographieren. Die Küsten aller sechs Kontinente waren auf den Karten eingezeichnet worden sowie achthundertelf Inseln, die in den riesigen Ozeanen verstreut lagen, Ruinen und Reichtümer waren entdeckt worden, man war uralten Zaubereien und wilden, unwissenden Stämmen begegnet. Und anderen Völkern, die nicht menschlich waren, die aber ebenso leicht bluteten wie Menschen. Barghast, Trell, Tartheno, Fenn, Mare, Jhag, Krinn, Jheck … An fremden Küsten waren Kolonien errichtet worden. Und es hatte Kriege und Eroberungen gegeben, immer wieder Eroberungen. Bis … bis alles zu Fall gebracht wurde, bis alles zerstört wurde. Das Erste Imperium brach in sich zusammen. Tiere erhoben sich inmitten seiner Städte, ein Albtraum, der sich wie die Pest verbreitete.
    Der Imperator, der Einer gewesen war, war jetzt Sieben, und die Sieben waren zerstreut, verloren im Wahnsinn. Die großen Städte brannten. Und Menschen starben zu Tausenden.
    Der Albtraum hatte einen Namen, und dieser Name lautete T’lan Imass.
    Zwei Worte, die Hass und Entsetzen hervorriefen. Doch über diese beiden Worte hinaus gab es nichts. Sämtliche Erinnerungen daran, wer oder was die T’lan Imass gewesen waren, waren im folgenden Chaos verloren gegangen.
    Und es gab nur wenige Letherii, die sich dieser Dinge überhaupt bewusst waren. Klar, sie kannten den Begriff »Erstes Imperium«. Und sie wussten vom Untergang jener glorreichen Zivilisation vor langer, langer Zeit – einer Zivilisation, deren Erben sie waren. Doch abgesehen von der Prophezeiung der Wiedergeburt wussten sie kaum etwas anderes.
    Udinaas musste sich eingestehen, dass er nicht mehr auf glückselige Weise unwissend war. In der Welt der Geister und Schatten lebte die Vergangenheit weiter, atmete wie ein lebendiges, stets widersetzliches Ding. Und Stimmen suchten ihn heim, Stimmen, die schon lange tot waren. Verblichener, dem Tiste-Andii-Gespenst, waren die Wünsche des Letherii-Sklaven gleichgültig, seine Bitten um Stille, um ein Ende der grimmigen Kakophonie aus Trauer, die alles zu sein schien, was Geister zusammenhielt.
    Udinaas hatte schon unter den Lebenden genug Entsetzliches erfahren. Und er hielt es nicht für der Mühe wert, daraus alte Wahrheiten herauszuschälen.
    T’lan Imass.
    T’lan Imass …
    Was kümmerte ihn

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