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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Haus schließlich echt aus. Demgemäß war es auch echt. Nur ein bisschen mehr an der steinernen Tür herumkratzen, ein bisschen stärker dagegenhämmern, sich einmal mehr dröhnend dagegenwerfen – und diese Barriere würde bersten.
    Und weiter und weiter und immer weiter im Kreis herum. Der ewig gleiche Trott des Wahnsinns.
    Er hörte ein Rascheln auf den Steinen weiter unten, und einen Augenblick später kam Federhexe in sein Blickfeld geklettert. Sie zog sich neben ihm hoch; ihre Bewegungen waren ruckartig, fast so, als hätte sie Fieber.
    »Bin ich dieses Mal mit Wegrennen dran?«, fragte er.
    »Bring mich hin, Schuldner. In diese Traumsphäre. Wo ich dich früher schon gefunden habe.«
    »Du hattest die ganze Zeit Recht«, sagte Udinaas. »Sie existiert nicht.«
    »Ich muss dorthin. Ich muss es selbst sehen.«
    »Nein. Ich weiß nicht, wie.«
    »Idiot. Ich kann Pfade öffnen. Ich bin gut darin, Pfade zu öffnen.«
    »Und was dann?«
    »Dann entscheidest du dich. Udinaas, bring mich zu den Geistern.«
    »Dies hier ist kein guter Platz für so etwas –«
    Sie hatte eine Hand um etwas geschlossen, und jetzt griff sie zu ihm herüber und packte seinen Arm mit dieser Hand, und er spürte eine Fliese, die an seine Haut gedrückt wurde.
    Und da war Feuer.
    Blendend hell wütete es ringsum.
    Udinaas spürte, wie ihn etwas von hinten anstieß, und er stolperte vorwärts. Durch die Flammen. In der Welt, die er gerade verlassen hatte, würde er nun kurz die Klippe hinunterstürzen, auf den felsigen Hang prallen und auf die ersten Bäume zurollen. Doch seine Mokassins glitten über ebenen, staubigen Boden.
    Er krümmte sich und sank auf ein Knie. Federhexe stolperte in sein Blickfeld; genau wie er war sie unbeschadet durch die Feuerwand gekommen. Er wirbelte zu ihr herum. »Was hast du getan?«
    Eine Hand schloss sich um sein Genick, hob ihn vom Boden hoch und schleuderte ihn auf den Rücken. Die kalte, zackige Schneide eines Steinschwerts wurde seitlich gegen seinen Hals gedrückt. Er hörte Federhexe schreien.
    Blinzelte in die ihn plötzlich umgebende Staubwolke.
    Ein Mann stand über ihm. Nicht groß, aber unglaublich muskulös. Mit breiten Schultern und überlangen Armen und honigfarbener, fast völlig unbehaarter Haut. Lange schwarze Haare hingen offen herab, umrahmten ein breites Gesicht mit deutlich ausgeprägten Zügen. Dunkle Augen glitzerten unter einer wuchtigen Stirn. Verschiedene Felle bildeten einen grob genähten Umhang, ein Flickenteppich aus Farben und Texturen, dessen sichtbare Unterseite blass und runzlig war.
    »Peth toi ool havra`d ara.« Die Worte klangen dumpf, die Vokale waren merkwürdig abgeflacht, als ob der Kehle, die diese Laute ausgestoßen hatte, die Beweglichkeit derjenigen eines normalen Mannes fehlte.
    »Ich verstehe Euch nicht«, sagte Udinaas. Er spürte, wie sich noch andere um ihn scharten, und konnte Federhexe fluchen hören, als auch sie zu Boden geworfen wurde.
    »Arad havra’d ara. En’aralack havra d’drah.«
    Zahllose Narben. Hinweise auf einen gebrochenen Unterarm, dessen Knochen ungleichmäßig zusammengewachsen waren und jetzt unter Haut und Muskeln einen Knoten bildeten. Der linke Wangenknochen des Mannes war eingedellt, seine breite Nase flach geschlagen und schief. Keine der Blessuren machte einen frischen Eindruck. »Ich spreche Eure Sprache nicht.«
    Die Schwertschneide hob sich von Udinaas’ Hals. Der Krieger trat zurück und gestikulierte.
    Udinaas rappelte sich auf.
    Noch mehr in Felle gehüllte Gestalten.
    Ein natürliches Becken, an drei Seiten von steilen Felswänden umgeben. Senkrechte Risse verliefen in diesen Wänden, von denen einige groß genug waren, um Schutz zu bieten. Und dort lebten diese Menschen.
    Auf der letzten Seite des Beckens, zur Linken des Letherii, öffnete sich das Land. Und in der Ferne befand sich – wie der Sklave mit sich weitenden Augen feststellte – eine zerschmetterte Stadt. Als ob sie mit Wurzeln und allem Drum und Dran aus dem Boden gerissen und in Stücke zerbrochen worden wäre. Hölzernes Gebälk neben schrägen, aufgeworfenen Pflasterstraßen. Flache Gebäude, die sich in zufälligen Winkeln neigten. Umgestürzte Säulen, Gebäude, die auseinander gerissen worden waren, so dass sie die Zimmer und Korridore preisgaben; in vielen Räumen standen noch immer Möbel. Und inmitten der zerschmetterten Stadt konnte er große Stücke faulenden Eises sehen.
    »Was für ein Ort ist das?«, fragte Federhexe.
    Er drehte sich um und

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