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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Gespenster sind gebunden. Sie werden gezwungen, an der Seite der Edur zu kämpfen. Sind das Geister von Andii? Beim Atem des Vermummten, das fängt allmählich an, einen Sinn zu ergeben. Was könnten sie denn sonst sein? Nein, es sind keine Edur-Geister, denn für die würde man keine bindende Magie brauchen, oder?«
    Eisenhart trat vor Seren. »Was schlagt Ihr vor?«
    Sie erinnerte sich an ihren einzigen Kontakt mit den Geistern, an ihren Hunger. »Magier Corlo, Ihr sagt, Ihr haltet sie von uns fern. Versuchen sie, uns anzugreifen?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    »Lasst einen von ihnen durch. Vielleicht können wir mit ihm sprechen, vielleicht können wir Hilfe bekommen.«
    »Warum sollte so ein Geist daran interessiert sein, uns zu helfen?«
    »Verhandelt mit ihm.«
    »Und was soll ich ihm anbieten?«
    Sie zuckte die Schultern. »Denkt Euch etwas aus.«
    Er murmelte eine Reihe fremder Worte vor sich hin, von denen sie annahm, dass es wohl Flüche waren.
    »Lass einen durch«, sagte Eisenhart.
    Noch mehr Flüche, dann ging Corlo ein paar Schritte voraus, um ein bisschen Platz zu haben. »Haltet die Waffen bereit«, sagte er. »Nur für den Fall, dass er sich nicht fürs Reden interessiert.«
    Einen Augenblick später begann die Düsternis vor dem Magier zu wallen, und etwas Schwarzes quoll daraus hervor wie verschüttete Tinte. Eine Gestalt tauchte auf, zögernd, unsicher.
    Eine Frau, so groß wie eine Edur, doch mit mitternachtsschwarzer Haut und einem rötlichen Schimmer in den langen, offenen Haaren. Grüne Augen, schräg gestellt und groß, ein Gesicht, das runder und weicher war als Seren es angesichts ihrer Größe und ihrer langen Gliedmaßen erwartet hätte. Sie trug einen Lederharnisch und Beinlinge, und auf ihren Schultern lag das Fell eines weißpelzigen Tiers. Sie war unbewaffnet.
    Ihr Blick verhärtete sich. Sie sprach, und ihre Worte klangen in Serens Ohren so ähnlich wie die Sprache der Edur.
    »Ich hasse es, wenn so etwas passiert«, sagte Corlo.
    Seren versuchte es auf Edur. »Hallo. Wir entschuldigen uns dafür, in Eure Welt eingedrungen zu sein. Wir haben nicht vor, lange zu bleiben.«
    Der Gesichtsausdruck der Frau veränderte sich nicht. »Das tun Verräter nie.«
    »Ich mag zwar die Sprache der Edur sprechen, aber sie sind nicht unsere Verbündeten. Zumindest in dieser Hinsicht haben wir vielleicht etwas gemeinsam.«
    »Ich war eine der Ersten, die in dem Krieg gestorben sind«, sagte die Frau, »und daher auch nicht durch die Hand eines Edur. Sie können mich nicht holen, können mich nicht zwingen, für sie zu kämpfen. Ich und diejenigen, die sind wie ich – wir sind außerhalb ihrer Reichweite.«
    »Doch Euer Geist bleibt gefangen«, sagte Seren. »Hier, an diesem Ort.«
    »Was wollt Ihr?«
    Seren wandte sich an Eisenhart. »Sie fragt, was wir von ihr wollen.«
    »Corlo?«
    Der Magier zuckte die Schultern. »Wir müssen dem Einfluss der Edur entfliehen«, sagte er dann. »Wir müssen aus ihrer Reichweite entkommen. Und dann in unsere Welt zurückkehren.«
    Seren übermittelte Corlos Worte der Frau.
    »Ihr seid Sterbliche«, sagte sie. »Ihr könnt durchgehen, wo wir es nicht können.«
    »Könnt Ihr uns führen?«
    »Und welche Belohnung werde ich für meine Dienste erhalten?«
    »Was wollt Ihr?«
    Sie überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Das wäre ein unlauterer Handel. Meine Dienste sind die Bezahlung nicht wert, die ich verlangen würde. Ihr wünscht einen Führer, der Euch zur Grenze führt. Ich werde Euch nicht belügen. Es ist nicht weit. Ihr könnt es auch allein binnen kurzer Zeit finden.«
    Seren übersetzte das Gespräch für die Mitglieder der Karmesingarde, fügte dann hinzu: »Das ist eigenartig …«
    Eisenhart lächelte. »Eine ehrliche Maklerin?«
    Sie nickte traurig. »Ich bin immer noch eine Letherii. Ehrlichkeit macht mich misstrauisch.«
    »Fragt sie, was wir für sie tun sollen«, sagte Eisenhart.
    Seren Pedac tat, wie ihr geheißen, und die Frau hob ihre rechte Hand, in der ein kleines Ding lag, verkrustet und verrostet und vollkommen unkenntlich. »Der Gegenangriff der K’Chain Che’Malle hat einige von uns erst hinunter zum Ufer getrieben und dann ins Wasser. Ich bin keine besonders gute Kämpferin. Ich bin an den schäumenden Gestaden jenes Meeres gestorben, und mein Leichnam ist hinausgerollt, mitgezogen von den Gezeiten, hinaus auf den schlammigen Sand, wo der Schlick ihn verschluckt hat.« Sie blickte auf das Ding in ihrer Hand hinunter.

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