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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Sterbliche zu entsetzlich bösen Taten fähig waren; mit ihren unsterblichen, vielfach mächtigeren Gegenstücken wollte er nichts zu tun haben.
    Und dieser gebrochene Gott in seinem schmutzigen Zelt, sein ewiger Schmerz und der betäubende Rauch der Samen, die er immer wieder in die Kohlenpfanne streute – das war in Withals Augen alles so typisch. Manifest gemachtes Leiden, das sich in dem Wunsch verzehrte, das Elend der eigenen Existenz auf die ganze Welt – auf alle Welten – zu übertragen. Elend und falsche Hoffnung, Schmerz und blinde Hingabe. Das ist alles so typisch.
    Withal war auf dieser kleinen Insel, inmitten des leeren Meeres, verloren. In seinem Innern verlor er die Fähigkeit, auch nur eines der unzähligen Gesichter zu erkennen, die alle sein eigenes waren. Seine Gedanken und sein Ich waren reduziert, formlos und ungebunden. Er wanderte umgeben von den Erinnerungen eines Fremden dahin, während die Welt draußen sich entwirrte.
    Ein Nest bauen.
    Es in rasender Wut zerstören.
    Ein mit Fangzähnen gespicktes Maul, das in stummem, krampfhaftem Lachen geöffnet war.
    Drei Hofnarren, die die gleiche Vorstellung immer und immer aufs Neue wiederholten. Was sollte das bedeuten? Welche offenkundige Lektion wurde ihm hier gezeigt, die zu verstehen er zu blind und zu dumm war?
    Der junge Edur war fertig; in seinem Magen war nichts mehr. Als er den Kopf hob, stand in seinen Augen nichts als nacktes Entsetzen und Schmerz. »Nein«, flüsterte er.
    Withal schaute weg, blickte blinzelnd den Strand entlang.
    »Bitte … nicht mehr.«
    »Nicht viel los, was Sonnenuntergänge angeht«, sagte Withal nachdenklich. »Oder Sonnenaufgänge, was das betrifft.«
    »Du weißt nicht, wie es ist!«
    Der Schrei des Edur verklang. »Die Nester werden immer kunstvoller«, sagte Withal. »Ich glaube, er bemüht sich um eine besondere Form. Geneigte Seitenwände, ein dreieckiger Eingang. Dann macht Maep es kaputt. Was soll ich aus all dem schließen?«
    »Er kann sein verdammtes Schwert behalten. Ich gehe nicht. Da rüber. Ich gehe nicht da rüber – und versuch bloß nicht, mich dazu zu bringen.«
    »Ich habe nichts damit zu tun. Nichts.«
    Rhulad kroch auf ihn zu. »Du hast das Schwert gemacht!«, sagte er anklagend.
    »Feuer, Hammer, Amboss und der Prozess des Härtens. Ich habe mehr Schwerter gemacht, als ich zählen kann. Nur Eisen und Schweiß. Ich nehme an, es waren zerbrochene Klingen. Diese schwarzen Scherben. Von irgendeinem überlangen Messer mit schmaler Klinge. Genauer gesagt von zweien, schwarz und spröde. Wirklich nur Stücke. Ich frage mich, wo er sie herbekommen hat?«
    »Alles zerbricht«, sagte Rhulad.
    Withal warf ihm einen Blick zu. »Stimmt, mein Junge. Alles zerbricht.«
    »Du könntest es tun.«
    »Was tun?«
    »Das Schwert zerbrechen.«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Alles zerbricht!«
    »Auch Leute, mein Junge.«
    »Das ist nicht gut genug.«
    Withal zuckte die Schultern. »Ich kann mich nicht mehr an allzu viel erinnern. Ich glaube, er stiehlt mir meinen Verstand. Er sagt, er wäre mein Gott. Alles, was ich tun muss, wäre, ihn anzubeten, sagt er. Und alles würde klar und deutlich werden. Also, sag mir, Rhulad Sengar, ist für dich alles klar und deutlich?«
    »Dieses Übel – du hast es gemacht!«
    »Tatsächlich? Vielleicht hast du Recht. Ich habe mich auf das Geschäft, das er mir angeboten hat, eingelassen. Aber er hat gelogen, verstehst du. Er hat gesagt, er würde mich freilassen, wenn ich das Schwert fertig habe. Er lügt, Rhulad. So viel weiß ich. Jetzt weiß ich das. Dieser Gott lügt.«
    »Ich habe Macht. Ich bin ein Imperator. Ich habe mir ein Weib genommen. Wir sind im Krieg, und Lether wird fallen.«
    Withal deutete ins Landesinnere. »Und er wartet auf dich.«
    »Sie haben Angst vor mir.«
    »Angst sorgt für Loyalität, mein Junge. Sie werden dir folgen. Sie warten jetzt ebenfalls.«
    Rhulad griff sich ins Gesicht, erschauerte. »Er hat mich getötet. Dieser Mann. Das war kein Letherii, nein, das war ganz bestimmt kein Letherii. Er hat uns getötet. Sieben von meinen Brüdern. Und mich. Er war so … schnell. Es hat ausgesehen, als hätte er sich kaum bewegt, und meine Brüder sind gefallen, sind gestorben.«
    »Nächstes Mal wird es härter sein. Du wirst härter sein. Es wird nicht leicht sein, jemanden zu finden, der dich töten kann  – nächstes Mal. Und das Mal danach. Verstehst du das, Junge? Es ist die Essenz dieses verdrehten Gottes, der auf dich wartet.«
    »Wer ist

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